Ohne Zweifel waren Springtamarine den menschlichen Einwohnern Südamerikas
bekannt, sie fingen diese und bereicherten so ihr Nahrungsangebot. Der Wissenschaft
sind Springtamarine jedoch lange verborgen geblieben. Dementsprechend konnten sie
im „Brehm“ auch nicht erwähnt werden. Der erste Wissenschaftler, der einen
Springtamarin zu Gesicht bekam, war Émil August Goeldi, ein in der Schweiz
geborener Zoologe, der nach seinem Studium in Jena nach Brasilien wechselte und dort
als Emilio Augusto Goeldi seit 1894 Direktor des später nach ihm benannten Museo
Paraense de História Natural e Ethnograpy in Belém war. Er hielt das ihm 1904
vorliegende Individuum für einen sehr alten Midas weddelli, war sich aber wohl nicht
sicher und schickte das Fell nach London an das British Museum of Natural History zu
Oldfield Thomas. Thomas war unentschlossen, zuerst wollte er das Exemplar zu Ehren
von Goeldi als neue Art Hapale goeldi beschreiben, schloss sich aber dann in
einem Brief an Goeldi dessen Meinung an, änderte seine Einschätzung aber
wieder und publizierte bereits 1904 diesen Fund als neue Art Mico goeldii
([27]).
Das zweite der Wissenschaft bekannte Exemplar gelangte in den Zoo von Belém,
Pará, Brasilien. Dort wurde dieses Individuum von dem brasilianischen Zoologen
Alípio de Miranda Ribeiro beobachtet und als etwas Neues, nämlich als eine
Mischung zwischen Callicebus (Cebidae) und Mico (Callitrichidae) angesehen.
Dementsprechend vergab er 1912 den Genusnamen Callimico (Calli-mico) neu und
beschrieb seinen Fund als Vertreter einer neuen Art Callimico snethlageri.
Auch dieses Individuum starb bald. Nach seinem Tod wurde der kleine Affe
präpariert und wiederum zu Oldfield Thomas nach London geschickt.
Thomas1
erkannte sofort, dass dieses Tier mit „seiner“ Art identisch war. Nun hatte er neben den
zwei Fellen auch einen Schädel für eine Einordnung zur Verfügung. Auch er hielt das Tier
für einen Verteter einer neuen Gattung und stimmte sofort der Genusbezeichnung von
de Miranda Ribeiro zu. Er beurteilte die systematische Stellung der Gattung Callimico
wie de Miranda Ribeiro: „exactly between the otherwise well-defined families,
Cebidae und Callitrichidae,“ wertete aber den bei Callimico vorhandenen dritten
Backenzahn2
als ein so bedeutendes Merkmal, dass er dieses Genus den Cebidae als Typ einer neuen
Unterfamilie, den Callimiconinae, zuordnete.
Dieser Zuordnung zu den Cebidae widersprach der britische Anatom Reginald I. Pocock
1920 ausdrücklich: „Personally, I should attach more importance to the extremities,
and regard Callimico as a primitive Marmozet. In that case the Callimiconinae will be
a subfamily of Hapalidae.“ ([160], S. 113). Diese Annahme bekräftigt er 1925
([161]).3
Damit begann eine jahrzehntelange Debatte über die „richtige“ Zuordnung von
Callimico, ist dieser ein Vertreter einer eigenen Familie Callimiconidae, einer
Unterfamilie Callimiconinae der Cebidae oder einer Unterfamilie Callimiconinae der
Callitrichidae. Auf diesen Streit werde ich am Ende des Kapitels eingehen.
Zumindest ein weiterer Callimico, ein adultes Männchen, kam noch in den Zoo von
Belém und diente als Vorbild für ein von da Cruz Lima angefertigtes Gemälde. Dieses
erschien als Abbildung XXXII im Anhang des ersten Bandes des Werkes
„Mammals of Amazonia“von Eladio da Cruz Lima“ das erst 1945, zwei Jahre nach
dem Tod von Supreme Court Justice Eladio da Cruz Lima, publiziert wurde
([27]).4
Auf diesem Gemälde sind drei Springtamarine abgebildet, deren Schwänze
jeweils drei auffällige weiße Ringe hatten. Diese führten zur Spekulation, nur
adulte Springtamarine hätten drei weiße Ringe am Schwanz, tatsächlich waren
diese aber wohl eine „künstlerische“ Zugabe, um das Bild interessanter zu
machen.
Rainer Lorenz ([120]) stellte dankenswerter Weise einen Bericht
zusammen5
über alle in Menschenobhut gehaltenen Springtamarine - der deutsche Name stammt
übrigens wiederum von Ludwig Heck ([68]). Nachdem alle lebenden Springtamarine
nur in den Tropen in Menschenobhut gehalten wurden (und dort nur kurz lebten),
„...., muß es schon sensationell gewesen sein, als ein Tier dieser Art 1915 in den
Londoner Zoo gebracht wurde und eine Woche am Leben erhalten werden
konnte.“([120], Seite 12). In den nächsten Jahrzehnten erreichte kein lebendes Tier
einen amerikanischen oder europäischen Zoo. Erst im Dezember 1954 kam ein Tier
nach New York (im Winter) und lebte hier vier Wochen lang. Im Jahr darauf trafen
mehrere Transporte in Zoos und Forschungsinstituten der USA ein. „Erst 1957
erreichte wieder ein lebendes Tier den europäischen Kontinent“ ([120], S. 13) und
wurde im Naturhistorischen Museum Bern gehalten. „Im Dezember 1958 - also ein
volles Jahr später - meldete der Kölner Zoo die Ankunft des ersten lebenden
Springtamarins in Deutschland. Er lebte acht Monate und starb leider wenige Tage
nach dem Eintreffen des nächsten Tieres, das - ebenfalls ein Männchen - in
den Kölner Zoo einzog. .... Im Februar 1965 starb er (letzterer), fünf Jahre
und sechs Monate nach seiner Ankunft. ... (er) hatte ... ein Mindestalter von
sechseinhalb bis sieben Jahren erreicht.“ ([120], S. 13) Jeweils ein Männchen
lebte neun Monate lang im Zoo Hannover bzw. drei Monate lang im Tierpark
Duisburg. 1959 erhielt die Wilhelma, Stuttgart, drei Springtamarine, ein Tier
starb nach wenigen Tagen, die beiden anderen nach einem Monat. Rainer
Lorenz berichtet zudem über weitere Tiere im Frankfurter Zoo, 1963 kam ein
Weibchen, das wohl erste weibliche Individuum dieser Species, nach Frankfurt und
starb Anfang Februar 1966. 1965 erhielt der Frankfurter Zoo ein Paar, das
Weibchen starb nach der Ankunft, das Männchen wurde mit dem bereits
erwähnten 1963 importierten Weibchen verpaart, diese Verbindung blieb ohne
Nachkommen.
Rainer Lorenz ([120]) betitelte seine Arbeit: „Sollte jemand das große Glück haben
...“ und fuhr dann fort: „Das ist der Beginn E. P. Walker’s über den Springtamarin in
„The monkey book“. Das Glück, diesem kleinen Affen aus Südamerika zu begegnen,
widerfuhr uns zuerst gerüchteweise. Als aufregende Neuigkeit hörten wir von seinem
Eintreffen in den Zoos von Köln und Duisburg. Dann wurde er im Frankfurter Zoo
ausgestellt. Dort „stolperte“ ich über einen Besucher, der diese zoologische
Rarität ersten Ranges nicht nur als Paar zu halten, sondern sogar gezüchtet zu
haben vorgab.“ Dieser Besucher war eine Besucherin, nämlich Frau Heike
Heinemann, die mit ihrem Mann in den USA gelebt hatte und mit diesem zurück
nach Deutschland gezogen war. Glücklicherweise glaubte Rainer Lorenz dieser
vermeintlich „aufschneidenden“ Zoobesucherin und suchte diese in Wiesbaden
auf.
In den USA hatten die Heinemanns einen Tierhändler besucht. „On 27 November
1961 my husband and I stood in an animal importer’s shop im Miami, Florida in
front of a parrot cage containing a small coal-black monkey“ ([72]). Frau
Heinemann „verliebte“ sich spontan in die kleine Springtamarin-Dame, kaufte
sie und gab ihr den Namen Blackie. (Wir wissen also nun, dass bereits vor
dem erwähnten Frankfurter Weibchen ein anderes Weibchen - Blackie - in
Menschenobhut gelangte.) Die Heinemanns hielten Blackie wie ein Kind in
ihrem Haus, Blackie lebte frei in Heinemanns Schlafzimmer, ging mit den
Heinemanns auf Reisen und machte ihnen neben vielen Mühen vor allem Freude.
Frau Heinemann wollte Blackie aber nicht allein halten und bemühte sich
erfolglos um einen Mann. Sie kaufte zur Vergesellschaftung einen männlichen
Totenkopfaffen, bedachte aber nicht, dass man für einen Wildfang einen Käfig
benötigt. Über viele vergnügliche Probleme berichtete sie in ihrem Artikel
([72]).
Erst am 14. Mai 1963 war ihr Bemühen erfolgreich, sie erhielt von demselben
Tierhändler einen männlichen Springtamarin, den sie Devil nannte. Devil war sehr
krank und voller Parasiten. Er wurde aufopferungsvoll von den Heinemanns gepflegt
und dann - noch schwach - mit Blackie verpaart ([72], S. 74 - 75). „At the beginning,
every time Blackie looked in Devil’s direction she pulled down her forehead and
flicking her tongue rapidly over her nose, with her mouth nearly closed. (The female
Goeldi’s marmoset in the Frankfurt Zoo did the same thing when I watched her for a
short while after she had been put in a cage with a newly-acquired male.) As
Blackie could enter Devil’s cage at will after the worming she joined him a few
times daily and offered herself for mating. But as he was so weak he usually
did not respond and once I saw her bite him as a result. He immediately
pulled down his forhead and flicked his tongue while Blackie froze in the
mating position. This behaviour seems to be their reaction to differences of
opinion.“
Noch in den USA, in der Neujahrsnacht 1963/1964 hatte Blackie eine Fehlgeburt.
(Heinemanns wussten damals nicht, dass diese der erste Nachweis einer erfolgreichen
Verpaarung dieser Species in Menschenobhut war.) Am 03. Januar 1964 beobachteten
die Heinemanns eine Kopulation von Devil und Blackie. Am 30. April 1964
zogen sie dann zu viert (Herr und Frau Heinemann, Blackie und Devil) nach
Deutschland um. (Frau Heinemann „schmuggelte“ ihre Tiere durch alle Kontrollen.)
In Deutschland wurde dann am 13. Juni 1964 das weibliche Jungtier Ebony geboren. (Ebony war der erste in Menschenobhut gezüchtete Springtamarin.) Heike Heinemann war nicht nur eine erfolgreiche Tierhalterin, sie beobachtete auch ihre Tiere unter optimalen Bedingungen, gemeinsames Wohnen in einem Raum und die Möglichkeit, auch detaillierte Untersuchungen vorzunehmen (auf ihrem Schoss), und sie protokollierte ihre Befunde sorgfältig. Heike Heineman beschenkte dadurch die primatologische Wissenschaft. Bei Ebony beobachtete sie: „During the third week Blackie began to try to get the baby off her back“ ([72], S. 76). Dieses wurde dann von Devil übernommen. Im Alter von sechs Wochen protokollierte sie kurze Sprünge, in der 10. Lebenswoche war Ebony entwöhnt. Eine Kopulation fand in der 4. Woche nach Ebonys Geburt statt. Am 27. November 1964 wurde dann das männliche Jungtier Fury geboren. Bereits am 13. Mai 1965 erfolgte die nächste Geburt, wieder war es ein Männchen, das den Namen Goeldy erhielt. Heinemann beobachtete vor der Geburt, dass Blackie versuchte, Fury abzuwehren. 25 Minuten später trug Blackie die Nachgeburt im Mund. Heike Heinemann pflegte ihre Springtamarine ausgiebig. „In September 1965, I noticed that Fury was teething. Thus, in this instance, the second set of teeth erupted at 10 months of age“. Somit war auch der Zeitpunkt des Zahnwechselns protokolliert.6 Am 29. Oktober 1965 wurde dann wieder ein kleines Mädchen, Happy, geboren. Am 15. Februar 1966 verkaufte Heinemann Fury an das Max Planck Institut für Hirnforschung, sozusagen in die Hände von Rainer Lorenz. Lorenz teilte mit Fury sein Büro, auf seiner Schulter konnte Fury auch aus seinem Mund „neues“ Futter kosten, was Lorenz für wichtig hielt.
Die Beobachtungen von Heinemann wurden in einer gemeinsamen Publikation von Lorenz und Heinemann ([118] ergänzt und spezifiziert.7 Danach wird die Mutter gegen Ende der Schwangerschaft bewegungsunlustig und stellt das Springen ein, die Geburten erfolgten stets nachts. Zur Geburt von Goeldy erfahren wir „Nachdem die Tiere gegen 20 Uhr in der Schlafkiste verschwunden waren, wurde sie (Frau Heinemann) durch erregte Lautäußerungen gegen 21.15 Uhr auf die außerhalb der Schlafbox befindlichen Tiere aufmerksam. Das Muttertier ((Blackie)) wehrte - an einem Ast hängend - (Fury) ab. Dabei kletterte (Blackie) wieder auf den Ast und ließ nun ein Jungtier ((Goeldy)) zwischen den Schenkeln erkennen. Dieses kletterte auf die rechte Hüfte, wo es sich festklammerte. Die übrigen Tiere waren nicht interessiert. Während der nächsten 25 Minuten verharrte das Muttertier in vornübergebeugter Haltung und mußte (Fury) zeternd abwehren. Es urinierte (um) 21.40 (Uhr) und zog sich - die Nachgeburt im Munde tragend - in die Kiste zurück. Dabei stellte sich heraus, daß Nachgeburt und Neugeborenes wahrscheinlich noch durch die Nabelschnur miteinander verbunden waren und das Junge deshalb nicht weiter als bis zur mütterlichen Hüfte aufsteigen konnte, weil sich Nachgeburt und Junges auf verschiedenen Schenkelseiten befanden.“ ([118]), S. 4-5). Lorenz und Heinemann berichten auch über den Geburtszustand der jungen Springtamarine: „(Ebony) und (Fury) waren bereits geboren, als die Affen ((Devil)/(Blackie)) jeweils morgens aus der Schlafkiste kamen. Alle sichtbaren Teile der Jungen ((Fury)/(Goeldy)/(Ebony)) bedeckte kurzes schwarzes Fell; Hals, Brust, Bauch und die Innenseiten der Arme und Beine waren noch unbehaart, desgleichen der Handrücken und die Dorsalfläche der Unterarme. Diese Teile behaarten sich innerhalb zweier Monate. .... Die Augen - am ersten Lebenstag bereits geöffnet - blickten trüb bläulich-milchig. Die Neugeborenen klammerten sich auf dem Rücken der Mutter fest, deren Nackenmähne sie zunächst fast ganz verdeckte. Die Vorderextremitäten umgriffen Hals und Seiten. während sich die Füße im Bauch und Flankenhaar verankerten - oft auf den Schenkeln ruhend. Der Schwanz lag zusammengerollt unter dem Mutterbauch und wurde bei jeder ihrer Bewegungen fester angedrückt. In der dritten Woche stieg das Junge üblicherweise erstmalig zum Vater über und wurde von dem Tage an von seiner Mutter nur noch zum Säugen übernommen“([118], S. 11 -12). Weiterhin belegen sie auch für Callimico das Vorhandensein eines sternalen Drüsenfeldes, wie wir es schon für Galago, Callithrix und Saguinus erwähnt haben. Von den Springtamarinkindern wurde der Schwanz oft zum Abstützen, vielfach zur Kontaktaufnahme eingesetzt, nie aber zum aktiven Greifen. Das Geburtsgewicht betrug 35 bis 45 g. (Ebony) wog mit einem Vierteljahr 220 g, halbjährig 385 g. (Fury) hatte vierteljährig ein Gewicht von 280 g, mit einem halben Jahr wog er 405 g. (Goeldy) wog mit drei Monaten 215 g. Das Durchschnittsgewicht der Adultes (427 g) erreichten Männchen mit 225 Tagen und Weibchen mit 278 Tagen. Die Säugezeit betrug 60 - 70 Tage.
Am 28. August 1966 starb dann Blackie. Heike Heinemann teilte ihre Gruppe in zwei
neue Gruppen. Sie verpaarte Devil mit Happy und Goeldy mit Ebony. Dies war leider
keine gute Lösung, Goeldy und Happy harmonierten nicht. Deshalb gab Heike
Heinemann Ebony ebenfalls an das MPI ab und versuchte Goeldy zu verkaufen, was
ihr nicht gelang. Wegen eines erneuten Umzuges (am 5. November 1967) mussten die
Heinemann ihre drei Springtamarine wieder gemeinsam halten, Goeldy wurde mit dem
Paar Devil/Happy vereint, was gelang. Am 31. August erkrankte Happy und
gebar am 16. Oktober 1968 ein totes Baby. (Hiermit belegte Heinemann die
Möglichkeit der Vater/Tochter-Inzucht). Am 27. Oktober 1968 kopulierte unerwartet
Goeldy mit Happy „and Happy subsequently resisted Devil’s attempts to
mate“([72]).
Lorenz ([121]) beobachtete bei „seinem“ Callimico - Männchen (Fury) auch das
„Tischchenmachen“: „Callimico“ is able to put the medial aspect of the fist
and the arm together, thus forming a small platform on which the food is
placed“.8
Am 1. August 1967 erhielt er von den Heinemanns Ebony. Bereits am 17. Januar 1969
([122]) war die (Geschwister -) Verpaarung von Fury und Ebony erfolgreich. Nach
einer geschätzten Tragzeitlänge von 152 Tagen wurde ein weibliches Jungtier
geboren. „The father began carrying the baby on January 31 and apparently
prevented nursing by the mother for the infant died on February 4, 1969 of
malnutrition“ ([121], S. 79). Dann zog Lorenz mit seinen Springtamarinen
um zum Delta Regional Primate Research Center in Covington, Louisianna.
Am 21. Juli 1969 kam dort ein kleines Weibchen, Effy, nach einer Tragzeit
von 149 Tagen zur Welt. Damit enden die eindeutigen Angaben von Rainer
Lorenz.
Aus dem Autopsie-Befund von Fury (Seibold et al. ([199]) habe ich die weitere
„Geschichte“ rekonstruiert. Nach der Geburt des zweiten wohl männlichen Jungtieres etwa im
Mai 1970 wurde Fury für drei Monate abgetrennt und dann wieder mit dem Rest der Gruppe
vereinigt.9
Er zeugte innerhalb des ersten Monats nach Fusion ein weiteres Jungtier, wohl ein
Weibchen, das nach Furys Tod (ca. Oktober 1970) geboren wurde. Bei der Aufzucht
half wohl Effy ([124]). Dem jungen Männchen, der im Internationalen Zuchtbuch als
Nr. 733 geführt sein könnte, habe ich im Jahr 2015 posthum zu Ehren von Heike
Heineman den Namen „Heiko“ gegeben. Das Kind, das wohl im März 1971 geboren
wurde, könnte Fanny gewesen sein. Später trennte er Effy ab und verpaarte
diese mit einem Wildfangmännchen, sie wurde schwanger, starb jedoch durch
Geburtskomplikationen ([124]). Auch Ebony und ihren Kindern führte Lorenz ein
Wildfangmännchen zu. „The two offspring in the cage strongly rejected this male. The
older one even bit the male’s hand, when the baby once approached him, but
quickly returned to the mother upon recognizing its mistake.“ ([124], Seite 98.)
Nach Lorenz ([124]) wurde dieses Männchen dann voll akzeptiert und Ebony
wieder schwanger. Ich vermute, dass dieses „Familienglück“ nicht anhielt,
woraufhin er die Jungtiere separiert haben dürfte. Als frühester Verpaarungstermin
des von mir vermuteten Paares Heiko und Fanny wird von mir Anfang 1974
angenommen.
Unsere Haltungserfahrungen mit Springtamarinen begannen im September 1978.
Rainer Lorenz bat mich, seine Springtamarinkolonie zu übernehmen, da er
Schwierigkeiten hatte, deren Haltung am Anthropologischem Institut der Universität
Göttingen zu rechtfertigen. Eigentlich ungerne übernahmen wir seine Kolonie, doch
wollte ich Lorenz helfen. Seine Springtamarine hatte er aus dem Delta Regional
Primate Research Center mit sich nach Göttingen gebracht. Diesem Primatenzentrum
gehörten wohl auch seine Tiere. Nun vertraute er uns diese an. Soweit seine
Springtamarine im Internationalen Callimico - Zuchtbuch enthalten sind,
habe ich ihnen für diesen Beitrag einen zusätzlichen Namen gegeben, der sich
aus dem Geschlecht (m oder f), der Art Callimico goeldii) = Cg und der
Zuchtbuchnummer ergibt. Wir erhielten von Lorenz das Weibchen Fanny
(fCg124), das nach meinen Spekulationen (s. o.) bereits sieben Jahre alt war,
und dessen Kinder, die Männchen Tommy (mCg120), Peter (mCg121)und
Jacky10
und die Weibchen Muschi (fCg122) und Nes (fCg1978).
Ernährungsmäßig bereiteten die Springtamarine keine Probleme, wir boten ihnen
unser Krallenaffenfutter (wie in den Kapiteln 5 und 6 beschrieben) und servierten
ihnen zusätzlich gegen Mittag den sogenannten „Kartoffelgang“, bestehend aus
kleingeschnittenen Kartoffeln, Zwieback und Eiern, wobei für jeden Springtamarin 1/8
hartgekochtes Ei portioniert wurde. Dieses Futter wurde ihnen über die gesamten
Haltungszeiten täglich gereicht. Wir hielten es nicht für nötig, das Futterangebot zu
variieren.11
Genaue Geburtstermine habe ich leider nicht. Bei den geschätzten Geburtsterminen
(Tabelle 8.1) bin ich davon ausgegangen, dass Fanny in etwa jedes Jahr eines
der zwei potentiellen Jungtiere aufzog, und habe für Tommy Juli 1974,
Peter Juli 1975, Jacky Juli 1976, Muschi Juli 1977 und Nes Juli 1978
angenommen.12
Mit einer Mutter und ihren fünf Kindern hatten wir eine ausgesprochen
ungünstige Ausgangsposition für das Etablieren einer Zuchtkolonie, da
erfahrungsgemäß Verwandtschaft und Vertrautheit Aufzuchterfolge mindern.
Aus diesem Grund waren wir auch nur zögernd der Bitte von Lorenz
gefolgt.13
Wir versuchten, mit diesen Individuen eine Zucht
aufzubauen.14
Dies gelang zwar nur unzureichend, doch haben wir durch unsere ersten
Springtamarine viel gelernt und konnten Forschungsanliegen formulieren,
die wir dann auch verfolgt und beantwortet haben. Wir bildeten drei
Paare, Fanny und Tommy, Muschi und Peter bzw. Jacky und Nes. 1979
abortierte15
Fanny dreimal (18. Januar, 07. Juli, 24. Dezember). Durch sie konnte erneut (s. o.)
belegt werden, dass Springtamarinweibchen auch nach dem Tod ihres Paarpartners (im
Beisein ihres Sohnes) oestrisch werden, dass der Sohn auch mit der Mutter kopuliert
und dass man bei Springtamarinen in Menschenobhut mit zwei Geburten im Jahr
rechnen kann. Muschi bekam am 13. März 1979 ein Kind, das aber bereits am 15.03.79
starb. Jacky und Nes reproduzierten nicht, am 03.11.79 starb Jacky, so dass Nes allein
gehalten werden musste.
1980 war ein erfolgreicheres Jahr. Zwar abortierte Fanny erneut am
05.05.79, knapp ein halbes Jahr nach der letzten Fehlgeburt, und starb am
07.05.1980. Doch reproduzierten Peter und Muschi zweimal, am 11.01.1980
ein fast ausgetragenes Jungtier und am 14. September ein männliches
Jungtier, Chris (mCg179). Chris wuchs bei uns auf und war unser ganzer
Stolz.16
Am 12. Juni 1980 erhielten wir zudem als Leihgabe vom Durrell Wildlife
Conservation Trust, in Jersey ein Männchen. Das dort an uns am 11. Juni
verschickte gut zweijährige Männchen M578 bekam bei uns den Hausnamen
Jersey (mCg107). Wir freuten uns sehr über dieses blutsfremde Männchen und
verschmerzten, dass Jersey durch einen schiefen Mund ausgesprochen häßlich
aussah, was ich auf eine mögliche Verletzung in der Kindheit zurückführte. Die
dortigen Kollegen hatten uns wohl das unattraktivste Männchen ihrer Kolonie
geschickt. Nach Abschluss der Quarantäne verpaarten wir Jersey dann mit
Nes.
Leider war diese Verpaarung ein Desaster. Nes und Jersey verstanden sich zwar gut
und reproduzierten sich auch viermal (Einlinge), wobei zwei Jungtiere Totgeburten
waren, doch waren die zwei überlebenden Jungtiere leider derart missgebildet
(Deformation des Kopfes), dass wir uns eigentlich verpflichtet gefühlt haben, diese
gleich nach der Geburt einschläfern zu müssen. Diesem Gefühl haben wir
aber widerstanden. Wir betteten sie stattdessen auf Handtüchern in einem
Vorkäfig, zu dem Nes und Jersey Zugang hatten, und überließen das Sterben der
Natur. Ohne irgendwelche Nahrung überstanden diese Jungtiere ein bzw. zwei
Nächte. Wir lernten aus unseren Beobachtungen, dass unsere Misserfolge bei der
Handaufzucht möglicherweise an einem zu frühen Füttern lagen. Neugeborene
Springtamarine benötigen offensichtlich vor allem Wärme, das Fütternmüssen
hingegen hat noch eine gewisse Zeit. Nach diesen Geburten beschlossen wir,
Jersey nicht mehr als Zuchtmännchen einzusetzen. Wir vergesellschafteten ihn
vielmehr mit einer Springaffendame, über die noch in Kapitel 9 berichtet werden
wird.
Peter zeugte weitere Kinder, doch mussten einige mit der Hand aufgezogen
werden (was nicht gelang), eines starb am zweiten Lebenstag, eine Tochter,
Anja, lebte sechs Wochen, eine weitere, Suse (fCg307), überlebte zwar die
Aufzuchtphase, starb aber im Alter von gut einem Jahr 1984. Vor der Geburt von Suse
ließ ich Peter absperren, Suse wuchs also ohne Vater auf. Ich bildete mir
damals ein, ich hätte erstmals einen Springtamarin ohne Anwesenheit des
Vaters aufziehen lassen, dabei hatte dies Rainer Lorenz bereits Jahre vorher
praktiziert.17
1984 starben auch Peter, Tommy und Nes. Tommy und Nes verpaarten wir vorher
noch einmal, das Jungtier war nach unserem Eindruck normal entwickelt, wurde von
Nes vorbildlich betreut, starb aber nach fünf Lebenstagen.
Am 01. April 1985 zogen wir mit unseren letzten drei Springtamarinen (Jersey,
Muschi, Chris) in die neugebaute Primatenstation um. Verständlicherweise waren wir
mit unseren bisherigen Aufzuchterfolgen nicht zufrieden, was aber aus heutiger Sicht
unberechtigt war. Vielmehr war die Springtamarinhaltung Heinemann/Lorenz/Welker
ungemein erfolgreich. 22 Jahre nach der Verpaarung von Blackie und Devil im Jahre
1963 lebten von den Nachkommen dieses Paares immer noch zwei Individuen.
Darüber hinaus hatten wir gemeinsam belegt, dass Springtamarine bezüglich des
Sexualverhaltens keine Probleme mit Verwandtschaft haben, so züchten auch
Geschwister miteinander, doch ziehen diese die Jungtiere nicht zuverlässig auf. Trennt
man jedoch die Mutter von ihrem Paarpartner, kann diese ihr Junges auch
ohne Unterstützung des Vaters ohne große Probleme aufziehen (Heiko, Fanny,
Suse).
Devil und Blackie, das weltweit erste überlebende Springtamarinpaar, hatte - stimmen meine Vermutungen (s. o.) - fünfzehn das erste Lebensjahr überlebende Nachkommen hinterlassen, in vier Generationen. Gleichzeitig war Chris ein extremes Beispiel für „Ahnenverlust“ hatte er doch neben seinen Eltern (Peter/Muschi), nur zwei (statt vier) Großeltern ((Heiko/Fanny). zwei (statt acht) Urgroßeltern (Fury/Ebony) und zwei (statt sechzehn) Ururgroßeltern (Devil/Blackie).18
Die folgenden sechs Jahre waren glückliche Jahre für unsere Springtamarine.
Am 29.07.1986 erhielten wir von der Chicago Zoological Society drei weitere
Sprintamarine. Die etwa dreijährige Layla (fCg316), die im Chicago Brookfield Zoo
geboren war, den etwa zweijährigen Cortez (mCg450), der ebenfalls in Chicago
geboren wurde, im Alter von fünf Monaten an den Dickerson Park Zoo abgegeben
wurde und von dort zur Reise nach Kassel vorübergehend in den Brookfield Zoo
zurückkehrte, und Spring Kong (mCg433), ein Männchen, das 1984 im „Palm Beach
Zoo at Dreher Park“ geboren wurde und von dort 1985 nach Chicago gelangte. Wir
verpaarten dann Muschi mit Spring Kong und hielten Cortez und Layla als Paar.
Chris wurde im Tausch im August 1986 an den Brookfield Zoo abgegeben. Cortez und
Layla waren fantastische Eltern, sie zogen in Folge 6 Jungtiere (Einlinge) auf, darüber
hinaus „produzierten“ sie anschließend drei Handaufzuchten, von denen eine gelang,
Othello (mCg1088) wuchs unter der kompetenten Pflege meiner Tierpflegerin Birgit
Zeleny zum selbständigen Jungtier heran, über ihn werde ich weiter unten
berichten. Auch Muschi war verantwortlich für drei Handaufzuchten, wobei hier
ebenfalls die erste Handaufzucht, das Mädchen Lana (fCg700), ebenfalls von
Zeleny aufgezogen wurde. (Lana war unsere erste erfolgreiche Callimico -
Handaufzucht.)
Am 08. September 1989 trafen zusätzliche Springtamarine aus Chicago ein. Das Paar
Christobal (mCg482) und Anita (fCg619) mit ihrem Sohn Alex (mCg889),
das Paar Espiritu (mCg588) und Gertrudis (fCg585) sowie das Paar Jimmy
(mCg553) und Ami (fCg725), wobei Ami bereits wenige Tage nach Ankunft
starb.
Zeleny‘s „Tochter“ Lana kam am 14. Juli 1987, etwa drei Monate alt, wieder in die
Primatenstation zurück, wir vergesellschafteten sie mit ihren Eltern Spring Kong und
Muschi und verpaarten sie nach 2 Monaten Einzelhaltung am 08. Dezember 1988
mit Mark (mCg699), dem ältesten Kind von Cortez und Layla. Zu diesem
Zeitpunkt war Lana ein Jahr und acht Monate alt, Mark etwa drei Monate
älter. Bereits am 30.06.1989 erwies sich diese Verbindung als gelungen, das
kleine Männchen, Mortimer (mCg956), musste freilich wieder in die Obhut von
Zeleny gegeben werden. Ein am 01.04.1990 geborenes Jungtier überlebte nicht
seinen ersten Lebenstag. Doch dann zog Lana - zu unserer großen Freude -
nacheinander den am 22.09.1990 geborenen Lukas (mCg1090) und die am
16.03.1991 geborene Katarina (fCg1172) im Familienverband auf, die am
26.08.1991 geborene Tanja (fCg1176) musste wiederum von Zeleny aufgezogen
werden.
Einen so großen Erfolg wie bei der handaufgezogenen Lana können wir für die
männlichen Handaufzuchten leider nicht berichten. Wir vergesellschafteten am
20.09.1989 den damals knapp zwei Monate alten Mortimer mit der nur sechs Wochen
älteren Clarissa (Clarissa (fCg955) war eine Tochter von Cortez und Layla.) und
hielten beide Springtamarinkinder unter der Aufsicht von Zeleny in der Futterküche.
Die Vergellschaftung schien erfolgreich zu sein, so dass wir beide am 11. November
1989 in einen der Haltungskäfige überführen konnten. Doch mussten wir am
07. Oktober 1990 dieses Haltungsexperiment beenden, da Mortimer Clarissa
agonistisch bedrängte. Wir versuchten dann noch Mortimer mit dem ebenfalls
handaufgezogenen Othello zu sozialisieren. Die am 23. November 1990 erfolgte
Fusion musste aber bereits nach 19 Tagen wegen Unverträglichkeit abgebrochen
werden.
Am 28. Januar 1991 versuchten wir dann Mortimer mit der alten und erfahrenen Muschi zu verpaaren, dieses „unglückliche“ Experiment ging fatal aus, nach nur fünf Tagen gemeinsamer Haltung verletzte Mortimer Muschi so schwer, dass diese nicht mehr in der normalen Haltung zu halten war. Ab dem 18. Februar 1991 verbrachte das nun fast bewegungsunfähige uralte Weibchen bis zu seinem Tod am 23.11.1991 sein Leben in einem kleinen Käfig auf der Beobachterbank gegenüber den Haltungskäfigen.19 Mortimer setzten wir für kein weiteres Haltungsexperiment ein, wir verschenkten ihn am 27. April 1991 an einen tierliebenden Privathalter.
Ausgesprochen erfolgreich verlief eine weitere Paarung, so verpaarten wir am
29.09.1989 den verwitwerten Jimmy (aus Chicago) mit Rebekka (fCg839), einer
Tochter von Cortez und Layla. Jimmy war bereits fast vier Jahre alt, Rebekka über
zwei Jahre. Ihr erstes am 12.04.1991 geborenes Kind, Mikesch (mCg1174), wuchs im
Familienverband auf, das zweite am 12.10.1991 geborene Jungtier hingegen starb
bereits am ersten Lebenstag. Ähnliche Erfahrungen machten wir mit der Paarbildung
Alex (aus Chicago) und Clarissa (fCg955). Clarissa zog gleich das erste am 31.05.1991
geborene Jungtier, Frederik (mCg1173), ohne Probleme auf, wobei auch bei
diesem Paar das zweite am 12.09.1991 geborene Jungtier am ersten Lebenstag
starb.
Wir konnten also eindrücklich belegen, dass Callimico - Väter die Aufzucht der
Jungen nicht hindern, freilich waren bei diesen Familien in keinem Fall Vater und
Mutter miteinander vertraut/verwandt. Ob nun Verwandtschaft oder Vertrautheit für
die beschriebenen Unzulänglichkeiten verantwortlich waren, wollten wir durch weitere
Experimente klären, doch wurde unser Forscherglück durch den Tod von Layla
(06.11.1991) empfindlich gestört.
Tote Affen wurden von uns stets in das Veterinäruntersuchungsamt gebracht, so auch
Layla. Dieses Vorgehen war nur von einem „Nachteil“ begleitet: Bei allen toten Affen
wurde eigentlich irgendetwas Schreckliches gefunden, einmal waren es Bandwürmer
(bei einem Braunrückentamarin), die eigentlich nicht bei einem Krallenaffen zu
erwarten waren, die anderen Male irgendwelche Keime, die teilweise auch für uns
Menschen äußerst gefährlich waren. Sehen wir von unseren traurigen Erlebnissen
bei den Totenkopfaffen ab, von denen ich im Kapitel 11 berichten muss, so
waren diese Untersuchungen nur Vorsichtsmaßnahmen, um mögliche Gefahren
rechtzeitig zu erkennen. Unsere toten Tiere brachte ich immer selber in das
Amt20 und
war bei den Sektionen dabei. In der Regel führte mein Freund Dr. Walter Becker diese durch.
Bei den Affen wurde der Körper aufgeschnitten und die Organe zur weiteren Diagnostik
entnommen.21
Danach fuhr ich zurück in die Primatenstation und war zufrieden, prohylaktisch diese
umfangreichen Untersuchungen veranlasst zu haben. Am 28.11.1991 erhielten wir den
Befund von Layla, den ich hier zitieren möchte:
„Bei der Zerlegung wurden folgende Befunde erhoben:
Gelbe, feuchte, teilweise abgetrocknete Beläge rund um das Maul; vermehrt
bernsteinfarbene Flüssigkeit in der Bauchhöhle; Magen enthält etwas Flüssigkeit; ein
Leberlappen hellbraun, mit zahlreichen submiliaren, grau-weißen Herden und gezacktem
grau-weißen Rand; Lungenödem- und -emphysem.
In den makroskopischen veränderten Hautpartien wurden zahlreiche adulte
Rundwürmer nachgewiesen.
Die bakteriologische Untersuchung ergab einen Befall mit Proteus in allen Organen.
Bei der parasitologischen Kotuntersuchung wurden Spirurideneier nachgewiesen. Bei
der histologischen Untersuchung der veränderten Hautpartien fanden sich
Anschnitte von Wurmlarven. In der Leber wurden starke Rundzellinfiltrate
und submiliare Nekroseherde diagnostiziert. Die Hautveränderungen in der
Maulumgebung wurden wahrscheinlich durch den Befall mit Rundwürmern und die
Infektion mit verschiedenen bakteriellen Eitererregern (....) hervorgerufen.
Die Ursache für die Veränderungen in der Leber und die Todesursache sind
unklar.“
Unterschrieben war der Bericht von Veterinäroberrat Dr. Brömel, als Bearbeiter war
Dr. Fiege angegeben.
Normalerweise hätten wir diesen Befund in den Akten abgeheftet. Hier war es leider
anders. Bei weiteren Springtamarinen (und später auch bei einigen Weißbüschelaffen)
mussten wir entsprechende Hautveränderungen feststellen. Unser „Kampf“ begann.
Vom Deutschen Primatenzentrum ließen wir uns beraten, das Mittel der Wahl war
Ivermectin, 0,2 mg pro Kilo Körpergewicht, wobei 1 ml verdünntes Ivomec 1 mg
Ivermectin enthält. Nach einem Vorversuch mit Alex, John und Espiritu, die an der
Behandlung nicht starben, begannen wir am 18.12.1991 mit der systematischen
Behandlung. Alle Springtamarine mit geschwollenen Lippen wurden gespritzt.
In den folgenden beiden Jahren haben wir dreizehnmal Ivomecbehandlungen
durchgeführt, an bis zu zwölf Individuen hintereinander, insgesamt an 86 Tieren, wobei
die meisten Individuen mehrfach gespritzt wurden (Espiritu z. B. 8 mal). Anders als
bei den Makaken (vgl. Kapitel 14) und den Kapuzineraffen (vgl. Kapitel 13)
waren die Springtamarine nicht trainiert, wir mussten jedes Individuum mit
dem Netz einfangen. Im Gegensatz zu unseren Befürchtungen vertrauten uns
wohl unsere Springtamarine. Sie ließen sich immer leichter einfangen und
genossen wohl das in die Handgenommenwerden. Die Spritze selber machte ihnen
offensichtlich nichts aus. Dieses eigentlich von Behandlung zu Behandlung
hoffnungslosere Unterfangen änderte sich mit dem Tod von Mark kurz nach einer
Ivomec-Behandlung. Auch Mark wurde in das Untersuchungsamt gebracht. Dort
aber nahm sich Norbert Fiege aus wissenschaftlichem Interesse unendlich
viel Zeit und präparierte sorgfältigst die Lippen des frischtoten Männchens.
Hier fand er lebende Würmer, er rief mich gleich an, um mitzuteilen, dass
das Mittel der Wahl (Ivomec) offensichtlich nicht zwingend tödlich für die
Rundwürmer sei. Er bat um Zeit, sich zu bedenken. Einige Tage oder Wochen
später rief er mich erneut an und teilte mir mit, dass nach seiner Meinung ein
Behandlungsversuch mit Fenbendazol angesagt sei, zudem wies er darauf hin, dass in
unserer Station die Schaben sicherlich ein Problem wären, sie dienten als
Zwischenwirte. Wir streuten dann regelmäßig Fenbendazol in allen Gehegen
der Primatenstation aus, waren doch wahrscheinlich alle Affen der Station
von dem Parasiten befallen. Diese Behandlung war überaus erfolgreich, als
letzten Termin einer Ivomec-Behandlung habe ich den 16. Dezember 1994
notiert, danach traten die Krankheitssymptone nicht mehr auf. Wir hatten
gesiegt.22
Zum Nutzen unserer Kolonie (auch einige Weißbüschelaffen zeigten Hautveränderungen)
und aus wissenschaftlichem Interesse kam Fiege regelmäßig um Kotproben zu
sammeln, zudem untersuchte er eingefrorene Kadaver der anderen Species. Über seine
Befunde berichtete er auch ([56]) auf einer Tagung der Deutschen Gesellschaft für
Parasitologie mit dem Titel „Skin lesions caused by Gongylonema sp. (Nematoda:
Spririuda) in goeldi’s monkeys (Callimico goeldii) and common marmosets (Callithrix
jacchus)23.
Unabhängig von diesen Behandlungsanstrengungen und dem
Parasitenbefall24
gingen unsere Haltungsversuche, begleitet sicherlich von durch „Wurmerkrankung“ verstorbenen
Springtamarinen weiter. Als erstes möchte ich von Othello, dem handaufgezogenen
Sohn von Cortez und Layla berichten. Nach dem verungückten Haltungsversuch mit
Mortimer (s. o.) verpaarten wir ihn am 04.April 1991, zehn Monate alt, mit
der sieben Monate alten Vanessa (fCg1089), einer Tochter von Cortez und
Layla. Etwa siebeneinhalb Monate später wechselten sie für wenige Tage von
dem Haltungskäfigen in unsere Futterküche, wir konfrontierten sie dort mit
der handaufgezogenen Tanja (fCg1176), der schon erwähnten Tochter von
Mark und Lana. Gemeinsam überführten wir die drei Springtamarinkinder in
die Haltungskäfige. Aber auch hier verlief die Haltung unharmonisch. Wir
verschenkten Othello am 29. Mai 1992 an denselben Halter, der uns auch schon
Mortimer abgenommen hatte. Damit gaben wir auch unsere Versuche auf,
männliche Springtamarine mit der Hand aufzuziehen. Ein am 04.07.1993 geborenes
Männchen, ein Sohn von Mark und Tanja (s.u.) wurde konsequenterweise
eingeschläfert.25
Neben dieser unerfreulichen Episode gab es auch viel Erfreuliches zu berichten. Das
Zuchtpaar Jimmy und Rebekka (s. o.) bekam noch drei weitere Kinder, von denen
eines, das Weibchen Steffie (fCg1178), zum erwachsenen Springtamarin heranwuchs
und auch selber Kinder bekam (s. u.).
Wie bereits erwähnt, hatten wir im September 1989 auch das Paar Espiritu und
Gertrudis aus Chicago erhalten. Am 20. November 1992, also drei Jahre nach ihrer
Ankunft in Kassel, fanden wir „Reste“ in ihrem Käfig, die die Spekulation erlaubten,
Gertudis sei plötzlich reproduktiv geworden. Bereits am 08.05.1993 wurde diese
Spekulation bestätigt, wenngleich der Neonat nicht überlebte. Mit einem neuen
Partner, mit Lukas (mCg1090), einem Sohn von Mark und Lana, zog sie dann sogar
ein am 12.01.1995 geborenes kleines Springtamarinmädchen, Pia (fCG1499), auch
auf.26
Im Nachhinein klärte sich auch das Phänomen der Unfruchtbarkeit
bei Gertrudis. In den Gertrudis begleitenden Dokumenten stand
eindeutig, dass sie am 14. Mai 1988 ein Implantat erhalten hatte, das die
Reproduktion verhindert. Nach vier Jahren war dessen Wirkung offensichtlich
abgeklungen.27
Besonders stolz waren wir über die Verpaarung von Frederick (mCg1173) und Tanja
(fCg1176), unserem zweiten handaufgezogenen Callimico-Weibchen. Frederik war ein
Sohn von Alex und Clarissa, Tanja eine Tochter von Mark und Lana, dem ersten
handaufgezogenen Springtamarin (s.o.), insofern waren beide auch Cousin und
Cousine. Gut ein Jahr nach Verpaarung (29. Mai 1992), am 04. Juli 1993, bekamen sie
ihr erstes lebensfähiges Kind, über das schon berichtet wurde (s. o.). Ihr nächstes Kind
wurde am 12.03.1994 geboren, von der Mutter angenommen und starb nach zwei
Tagen. Ihr drittes Kind, Babette (fCg1496), hingegen wurde vorbildlich betreut, zwei
weitere Mädchen (05.03.1995, 18.12.1995) mussten handaufgezogen werden, was nicht
gelang.
Aber auch unsere Haltungsexperimente konnten wir konsequent fortsetzen. Wie schon
oben angegeben, hatten wir Clarissa am 20.09.1989 aus ihrer Geburtsgruppe
entnommen. Nun am 28. Mai 1992, also mehr als zweieinhalb Jahre später und nach
wechselnden Paarpartnern (s. o.) verpaarten wir sie mit ihren älteren Brüdern
Alwin (mCg864) und Rob (mCg865). Ich vermute, dass es berechtigt ist,
anzunehmen, dass sich Alwin und Rob nicht mehr an das kleine - fünf Monate alte -
Callimico-Mädchen erinnerten, als sie mit der dreijährigen Springtamarindame
verpaart wurden. Am 05.10.1992 erfreute uns Clarissa mit ihrem ersten Kind, Fabian
(mCg1320), aus dieser Verbindung. Alwin starb am 19.10.1992. Von da an war
Clarissa mit Rob und Fabian allein. Sie schenkte uns weitere fünf Kinder, von
denen vier in der Familiengruppe aufwuchsen. Die biologische Verwandtschaft
war also eindeutig hier kein Hinderungsgrund für eine erfolgreiche Aufzucht.
Vanessa (fCg1089), die erste Tochter von Jimmy und Rebekka, wurde nach den vergeblichen Versuchen, Othello zu sozialisieren (s. o), zuerst - ein Jahr und neun Monate alt - mit Espiritu (am 08. Mai 1992), dann am 20. März 1993 mit ihrem Onkel Mark und schließlich (nach Marks Tod) mit ihrem Bruder Mikesch (mCg1174) verpaart. Die beiden letztgenannten Männchen waren zweifellos mit Vanessa nicht vertraut (Mit ihrem Onkel hatte sie keinerlei gemeinsame Haltungserfahrung, nämliches galt für ihren Bruder Mikesch, Mikesch wurde am 12.04.1991 geboren, konnte also seine am 04. April 1991 separierte Schwester Vanessa nicht kennen.). Vanessa wurde in der von mir begleiteten Zeit fünfmal schwanger, trug ihre Kinder aus und nahm sie an, doch starben sie alle kurz darauf. Vanessa war eine sehr sensible Callimico-Dame. So musste ich sie z. B. nach der erzwungenen Absonderung in der sogenannten „Quarantäne-Station“ bereits nach zwei Tagen zurück in die Primatenstation holen, sie stellte die Nahrungaufnahme ein. Insofern nehme ich an, dass Vanessa durch die vielen „Gutmenschen“ gestört wurde, die in dieser Zeit die Primatenstation inspizierten, unsere Affen anstarrten28 und - sicherlich unbeabsichtigt - behelligten29.
Schließlich verpaarten wir noch den etwa einjährigen Fabian (mCg1320), ein Kind von Rob und Clarissa, mit der eineinhalb Jahre alten Steffie (fCg1178), eine Tochter von Jimmy und Rebekka, wobei die jeweiligen Mütter auch Tante des Paarpartners waren. Steffie warf bis zu meiner fristlosen Entlassung30 viermal, die zwei ersten Kinder und das vierte zog sie, gemeinsam mit ihrem Partner, tadellos auf.
Damit ist auch die Geschichte der Kasseler Springtamarine erzählt. Wir hatten eine
blühende Zuchtkolonie aufgebaut und planten weitere Experimente - hörten wir doch
von aufregenden Haltungsexperimenten aus dem Kölner Zoo. Die Fragen zur
Polygamie bei Springtamarinen sollten durch sorgfältige Haltungsexperimente
geklärt werden. Daraus ist freilich nichts geworden, vielmehr wurden unsere
mit Liebe und Verständnis für ihre Belange gehaltenen Individuen in „gute
Hände“ verschleudert.31
Dies geschah sicherlich in guter Absicht. Der Direktor des Dresdner
Zoologischen Gartens, Dr. Hubert Lücker, rief mich an und sagte: „Eines
müssen Sie zugeben. Die Verhältnisse bei Ihnen sind beengt. Haben Ihre
Springtamarine mehr Platz, dann können sie sich richtig ausleben.“. Er war sich
wohl nicht bewusst, dass das Wort „Ausleben“ eine doppelte Bedeutung
hat.32
Da ich die geplanten Versuche zur Polygamie bei Callimico nicht durchführen
konnte, weiche ich hier von der Beschränkung auf eigene Beobachtungen
und Haltungserfahrungen ab. Vielmehr möchte ich ausführlich von den
Haltungserfahrungen des Kölner Zoologischen Gartens berichten, wobei
ich diese aus dem von Mark Warneke geführten Zuchtbuch entnommen
habe.33
Eigentlich berichte ich aber nicht vom Kölner Zoologischen Garten,
vielmehr von der Arbeit der dortigen Kuratorin Uta Rümpler, geb.
Hick, die die Kölner Primatenhaltung gewährleistet und geprägt
hat.34 In
ihre „Hände“ gelangten am 28. Mai 1975 vier adulte Wildfang-Individuen unbekannten Alters,
die sie wohl über einige Jahre in einer Gruppe gehalten hat, nämlich mCg876, fCg877, mCg878
und fCg879.35
Nach den Zuchtbucheinträgen züchteten diese vier Wildfänge trotz der gemeinsamen Haltung erfolgreich. Eigentlich würde man dies nicht erwarten. Erwartbar wären vielmehr agonistische Auseinandersetzungen der beiden Männchen bzw. der beiden Weibchen untereinander, die das Heranwachsen von Jungtieren unmöglich machten. Insgesamt wurden sechs Jungtiere geboren und aufgezogen (4 Männchen und zwei Weibchen). Uta Rümpler hielt diese später wohl (entspechend meiner Annahme) in zwei Gruppen, wobei fCg412 (geb. 25.05.79) bzw. fCg480 (geb. 12.07.80) als Abkömmlinge von mCg878/fCg879 und mCg478 (geb. 21.07.76) bzw. mCg479 (geb. 29.03.77) als Abkömmlinge von mCg867/fCg877 identifiziert werden konnten. Die beiden Weibchen und die beiden Männchen gehörten unterschiedlichen Gruppen an. Nach dem Tod der vier Wildfänge (1980 bis 1982) hatte der Kölner Zoo nun 6 Individuen der 1. Nachzuchtgeneration. Rümpler verpaarte dann am 02.07.1984 36 SaschaI (mCg478) mit Shiwa (fCg480). Dieser Verbindung entstammen 8 Kinder der 2. Nachzuchtgeneration, die alle auch aufgezogen wurden. Für meinen Bericht ist nur die zweitgeborene Saskia (fCg718, geb. 06.08.85) von Bedeutung.
Natürlich wusste Uta Rümpler als erfahrene Halterin, dass ihre Zuchtbasis zu schmal
war. Daher versuchte sie, weitere Springtamarine aus anderen Haltungen zu
übernehmen. Neben anderen Individuen, auf die ich nicht eingehe, erhielt sie am
10.10.85 aus Frankfurt das zweieinhalbjährige Männchen Richard (mCg396, geb.
19.03.82) und aus Stockholm (Skansen-Akvariet) am 04.08.86 die dreijährige Ingrid
(fCg317, geb. 04.07.83), die sie erfolgreich in Köln verpaarte, das Paar zog 5
Jungtiere (zwei männliche und drei weibliche) auf. Von diesen ist das erstgeborene
Männchen Ricky (mCg721, geb. 28.07.87) für meinen Bericht von entscheidender
Bedeutung.
Schließlich verpaarte Rümpler am 24.12.1986 noch die schon erwähnte Saskia
(fCg718) mit ihrem Onkel Sascha II (mCg479). Auch diese Verbindung war sehr
erfolgreich, 6 Jungtiere, 1 Männchen und 5 Weibchen wurden geboren und
aufgezogen.
Ich habe also bis hierher von einer ausgesprochen erfolgreichen Tierhalterin
berichtet, der es gelang, aus einer Ausgangspopulation von sechs Individuen (vier
Wildfängen, 2 Nachzuchttieren aus anderen Haltungen) 25 Nachzuchttiere
in fünf Gruppen erfolgreich zu „produzieren“. Zwangsläufig endete jede
dieser fünf Gruppen nach dem Tod eines der Elterntiere, wie ich es auch
in den beiden vorherigen Kapiteln für Krallenaffengruppen berichtet
habe.37
Diese Regel galt auch für die zuletzt erwähnte Gruppe. Nach dem Tod des Vaters
SaschaII (am 01.09.90) war diese Gruppe praktisch „tot“. Sie bestand zu diesem
Zeitpunkt noch aus der Mutter Saskia (fCg718), ihrer 40 Monate alten Tochter Susi
(fCg719, geb. 24.05.87), dem 29 Monate alten Sandro (mCg882, geb. 10.04.88), der 23
Monate alten Sabrina (fCg885, geb. 24.09.88), der 17 Monate alten Sally (fCg1085)
und einem 6 Monate alten Weibchen (fCg1143), das am 14.09.90, 13 Tage nach
dem Tod seines Vaters starb. Nach diesen Todesfällen gebar Saskia noch ein
weiteres weibliches Jungtier, Selma (fCg1145, geb. 01.12.90). Doch änderte
dies nichts mehr an der Situation dieser „sterbenden“ Rumpfsozialgruppe.
Uta Rümpler entnahm am 13.05.91 Sandro und verpaarte ihn mit Ria
(fCg881)38,
der zweitgeborenen Tochter von Richard und Ingrid. Sabrina starb - aus unbekannten
Gründen - am 13.12.91, so dass in der Rumpfgruppe noch vier Weibchen verblieben
(Mutter Saskia und ihre Töchter Susi, Sally und Selma).
Die bisher berichteten beneidenswerten Zuchterfolge sind aber nicht der Grund, warum
ich so ausführlich über die Kölner Springtamarine berichte. Rümpler traf nun eine
sehr mutige tiergärtnerische Entscheidung, sie verpaarte am 13. Juli 1991 alle vier
Weibchen mit Ricky, dem erstgeborenen Sohn von Richard und Ingrid. Wir wollen
festhalten, zu diesem Zeitpunkt waren Saskia sechs, Susi vier und Sally zwei Jahre alt,
Selma hatte bereits den siebenten Lebensmonat durchschritten. Zudem sei betont, dass
Selma zwangsläufig keinerlei Erfahrungen bei der Aufzucht jüngerer Geschwister
sammeln konnte. Würden sich die Springtamarine wie die beschriebenen Krallenaffen
verhalten, kennten wir bereits das Ergebnis dieses Haltungsversuches. Nur
eines der Weibchen würde erfolgreich reproduzieren. Zudem wären schwerste
agonistische Auseinandersetzungen zwischen den Weibchen zu erwarten. Mit hoher
Wahrscheinlichkeit würden entweder alle oder fast alle Weibchen ohne den Eingriff des
Halters sterben. Springtamarine verhalten sich aber anders als Krallenaffen,
insofern „feierte“ Rümpler in den nächsten Jahren einen Haltungserfolg nach
dem anderen und erbrachte bisher unbekannte Einsichten zu den sozialen
Potenzen dieser Species, dem Springtamarin Callimico goeldii, die leider nicht
publiziert worden sind, wodurch Rümplers Beitrag fast verloren gegangen
ist.
Bereits am 23. Januar gebar Saskias älteste Tochter Susi ein männliches Jungtier,
Blacky (mCg1149) und zog es auf. Rümpler hatte Haltungsgeschichte geschrieben,
Springtamarinweibchen können offensichtlich auch im Beisein der Mutter
reproduzieren. Knapp einen Monat später, am 14. Februar 1992 gebar auch Saskia ein
männliches Jungtier, Sasso (mCg1147) (ein weiteres Männchen, Santo (mCg1442),
gebar sie im selben Jahr, am 17.11.1992).
Offensichtlich können mehr als ein Springtamarinweibchen in ein- und derselben Gruppe züchten. Ende 1992 war die ursprünglich fünfköpfige Gruppe auf acht Individuen angewachsen (vier Männchen und vier Weibchen). 1993 züchteten alle vier Weibchen erfolgreich, Susi und Sally zweimal. Die Gruppe wuchs auf 13 Individuen an (sechs Männchen und sieben Weibchen; Blacky wurde am 04.08.93 abgegeben39), von den sechs geborenen Jungtieren sind Saskias Tochter Sanna (fCg1487) und Susis Tochter Sus (fCg1343) bemerkenswert. Auch 1994 war ein erfolgreiches Jahr für die Kölner Springtamarine, erneut züchteten alle vier Weibchen, Sally zweimal. Von den fünf Nachzuchttieren dieses Jahres ist Sissy (fCg1492) hervorzuheben. Die Sozialgruppe wuchs auf 18 Individuen an (acht Männchen, zehn Weibchen). 1995 wuchs die Gruppe um weitere drei Individuen. In diesem Jahr züchteten nur zwei der vier Weibchen, nämlich Saskia und Sally, jeweils zweimal. Der in diesem Jahr zweitgeborene Sohn von Saskia lebte nur eineinhalb Monate. Zu erwähnen sind Saskias Tochter Scarlett (fCg1494) und Sallys Tochter Sara (fCg1595). Die Kopfstärke der Gruppe betrug nun 21 Individuen (9 Männchen, 12 Weibchen). 1996 war kein so erfolgreiches Jahr für die Springtamarin-Kolonie des Kölner Zoos, wahrscheinlich gab es erhebliche Spannungen zwischen den Nachzuchtmännchen, die auch an dem reproduktiven Geschehen in der Gruppe teilnehmen wollten. Eines der 1992 geborenen Männchen und eines der 1994 geborenen Weibchen starben, zwei weitere 1993 geborene Männchen wurden wohl aus dem Gruppenverband entfernt (und 1997 an andere Halter abgegeben). Insofern dürfte die Gruppenstärke auf 17 Individuen (6 Männchen, elf Weibchen) gesunken sein. Die vermuteten Entnahmen Rümplers führten wieder zu weiteren Erfolgen, 1997 züchteten erfolgreich Susi, zwei der 1993 geborenen Weibchen (Sus und Sanna) und die 1995 geborene Scarlett. Uta Rümpler schrieb sozusagen weiter an der Springtamaringeschichte. Springtamarinweibchen können auch im Beisein ihrer Mutter und Großmutter erfolgreich züchten. 1997 gab Rümpler noch das letzte der 1993 geborenen Männchen ab. Das 1995 geborene Männchen und Scarlett starben, die Gruppengröße betrug Anfang 1998 18 Individuen (5 Männchen und dreizehn Weibchen).
1998 züchteten wiederum erfolgreich vier der in der Gruppe geborenen Weibchen,
nämlich Sus, Sanna, Sissy und erstmals die 1995 geborene Sara. Sannas Tochter starb
kurz nach der Geburt, zudem gab Rümpler ein weiteres 1994 geborenes Männchen ab,
so dass die Gruppe Ende 1998 wiederum 20 Individuen umfasste (6 Männchen, 14
Weibchen). Am 18.05.1999 schickte Rümpler ein 1998 geborenes Männchen und ein
1993 geborenes Weibchen an den Frankfurter Zoo, so dass sich die Individuenzahl auf
18 Tiere reduzierte.
Uta Rüempler hatte es also geschafft über mehrere Jahre eine Callimico - Gruppe von
mehr oder weniger 20 Individuen zu halten, ein Haltungserfolg, den vor und nach ihr
kein weiteter Callimico - Halter erreicht hat. Ende 1999 verließ dann Uta Rümpler
den Kölner Zoo. Am 09.07.2000 starb Ricky, 13 Jahre alt. Mit seinem Tod
„erlosch“ auch seine Gruppe. Nach den Verhaltensbeobachtungen hatte er
nachweislich 18 Kinder gezeugt und war möglicherweise Vater von neun weiteren
Kindern.40
Ricky war damit das wohl reproduktiv aktivste Springtamarin - Männchen aller Zeiten.
Am 15.07.2000 starb auch die Stammmutter Saskia, ihre älteste Tochter Susi, ein weiteres
Ursprungsweibchen dieser Zuchtgruppe bereits am 08.02.2000. Am 09.05.2000 starb
zudem Sissy und am 12.05.2000 ein 1998 geborenes Weibchen (fCg1748), zwei weitere
Weibchen der Gruppe gaben die Nachfolger von Uta Rümpler an andere Institutionen
ab.41
2000 wurden zwei weitere männliche Jungtiere geboren, eines von einem 1997
geborenen Weibchen, das zweite - wohl totgeborene - Jungtier konnte keinem der
Weibchen zugeordnet werden. Ende 2000 bestand die Gruppe noch aus 12
Individuen (5 Männchen, 7 Weibchen). 2001 starb Selma und ein weiteres
Weibchen, ein Männchen und ein Weibchen wurden abgegeben, die beiden
in der Gruppe geborenen Jungtiere, fCg2184 und fCg2045 (Mutter: jeweils
Sara) starben am zweiten bzw. vierten Lebenstag, die Gruppe war auf acht
Individuen (3 Männchen und 5 Weibchen) „geschmolzen“. 2002 wurde ein
weiteres Paar abgegeben, ein Männchen starb. Erneut züchtete Sara erfolglos.
Zurückblieben ein Männchen und vier Weibchen, also zahlenmäßig die
Ausgangssituation.42
2003 starb Sally, 2005 das letzte Männchen der Gruppe, 2006 Sanna, 2007
fCg1746 und 2011 schließlich fast 16jährig Sara. Damit war die erfolgreichste
Springtamarin-Gruppe aller Zeiten Geschichte.
Gemeinsam mit meiner Mitarbeiterin Annette Klaiber-Schuh analysierten
wir die Reproduktionsdaten ([268]) unserer Kasseler Kolonie.
Insgesamt wurden 59 Kinder geboren (nur Einlinge). 36 % dieser
Kinder43
erreichten die zweite Lebenswoche. Erstgebärende (n = 6) Weibchen waren nahezu so
(un-)erfolgreich (33 %) wie mehrfachgebärende Weibchen. Nach der ersten
Lebenswoche konnten die Aufzuchtverluste vernachlässigt werden, 81 % der
jungen Springtamarine überlebten danach zumindest das erste Lebensjahr. Die
Aufzuchtserfahrung hatte keinen Einfluss auf den Aufzuchtserfolg. Weibchen mit
Aufzuchtserfahrung zogen ihre Jungen teilweise nicht auf, dagegen waren solche ohne
jegliche Erfahrung erfolgreich. Das mittlere Alter erstgebärender Weibchen (n = 6)
gibt keine sinnvolle Information, das jüngste erstgebärende Weibchen war am Tag der
Geburt ein Jahr und 11 Monate alt. Die Tatsache, ob die Jungen aufgezogen werden
oder nicht, hat keinen Einfluss auf die Geburtenabstände, im Mittel betrug der
Abstand 184 ± 8 Tage, bei Kinder säugenden Weibchen (n = 15) und 193 ±
9 Tage bei Weibchen ohne Kind (n = 15). Das kürzeste Intervall zwischen
zwei Geburten war 143 Tage lang, eine Saisonalität war nicht aufzeigbar. Als
Geschlechterverhältnis (M : W) aller Kinder ermittelten wir 1 : 1, für die erste
Lebenswoche überlebende Kinder 1 : 0,5. Die höhere Überlebensrate männlicher Kinder
ist nicht erklärbar, sie mag Zufall sein. Auffällig war zudem, dass in der ersten
Lebenswoche ausschließlich die Mutter ihr Junges trägt. Die Tragebeteiligung des
Vaters ist nicht obligatorisch, doch beteiligt sich der Vater in der Regel an der
Aufzuchtsarbeit.
Da wir bei unseren morgendlichen und abendlichen Rundgängen natürlich
auch die Jungen der Springtamarine protokolliert haben, liegt uns hier auch
quantitatives Datenmaterial vor. In der Abbildung sind die prozentualen Anteile der
Gruppenmitglieder von der ersten bis zur 19. Lebenswoche angegeben. Man erkennt
sehr deutlich, dass die Mutter (kurz gestrichelte Linie) das Haupttragtier ist und dass
die Trageleistung der Geschwister (gepunktete Linie) vernachlässigt werden kann.
Die Tragekurve des Vaters ist durchgezogen, die Kurve des Alleinseins lang
gestrichelt.
Systematisch habe ich leider nur einmal Springtamaringruppen beobachten
lassen. Barbara Fehr-McCutcheon fertigte über diese ihre Staatsexamensarbeit
an.44
Fehr-McCutcheon erhob ihre systematischen Daten an dem Paar Spring-Kong
(mCg433) und Muschi (fCg122) vom 18.03.1987 - 23.03.1987 und an der
Familiengruppe Cortez (mCg450), Layla (fCg316) und Mark (mCg699) vom
24.03.1987 - 29.03.1987. Muschi war zu diesem Zeitpunkt bereits eine sehr alte
Springtamarindame, Mark zum Ende der Beobachungen fast zwei Monate
alt.
Fehr-McCutcheon beschreibt die Haltungsbedingungen: „Die beiden Gruppen
befinden sich jeweils in Käfigen in voneinander getrennten Haltungsräumen. In
beiden Räumen sind 10 Einzelkäfige vorhanden, wobei die Tiere größtenteils
Sichtkontakt zueinander haben, akustische Kommunikation ist ebenfalls möglich. Im
linken Käfig der ersten Gruppe waren Weißbüschelaffen (Callithrix jacchus)
untergebracht, der rechte Nachbarkäfig war während der Beobachtungszeit leer.
Bei der zweiten Gruppe befanden sich im linken Nachbarkäfig Lisztäffchen
(Saguinus oedipus) und im rechten Nachbarkäfig Weißbüscheläffchen. Der
Rauminhalt der Einzelkäfige beträgt 2,96 cbm. Neben einem Holzbrett im
oberen hinteren Drittel des Käfigs an der Rückwand und einem Schlafkasten
im oberen hinteren Drittel des Käfigs, stehen den Tieren drei Holzleitern,
verbunden durch vier Drahtseile, die an der Käfigdecke befestigt sind und
somit leicht hin und her schwingen können, zur Verfügung (...). Die Decke, die
Front sowie die rechte und linke Seitenwand bestehen aus feuerverzinktem
Gittergeflecht (Maschenweite 2 x 2 cm). Der Boden und die Käfigrückwand sind
gefliest. An der Tür, die vorne ist, befindet sich zur Aufnahme der Futternäpfe
ein Futterkorb, der von der unteren Leiter aus leicht erreichbar ist. In die
Haltungsräume fällt Tageslicht, das durch künstliche Beleuchtung noch verstärkt
wird. Eine Schaltzeituhr sorgt dafür, daß die künstliche Beleuchtung um 7.00
Uhr einsetzt und um 19.00 Uhr endet. Die Raumtemperatur beträgt 27 ± 1
Grad Celsius und die relative Luftfeuchtigkeit 70 ± 10 %. Desweiteren steht
den Tieren außerhalb der Beobachtungzeiten und ab einer Außentemperatur
von ca. 5 Grad Celsius ein Außengehege von 4,08 cbm (...), das über einen
Verbindungsschieber (...) zugänglich ist, zur Verfügung. Innen- und Außenkäfiganlage
werden täglich einmal gereinigt. Die Springtamarine werden dreimal täglich gefüttert.
Morgens um 8.00 Uhr bekommen sie einen Spezialbrei; mittags zwischen 12.00
und 13.00 Uhr den sogenannten „Kartoffelgang“, bestehend aus Kartoffeln,
Zwieback und Eiern. Nachmittags zwischen 15.00 und 16.00 Uhr erfolgt die letzte
und auch gleichzeitig Hauptfütterung. Zur Hauptfütterung gehören auf jeden
Fall und immer Äpfel, Bananen, Möhren, Zwiebeln und Paprika, desweiteren
auch Früchte und Gemüse nach jahreszeitlichem Angebot, wie Kiwis, Ananas,
Apfelsinen, Tomaten, Lauch, Sellerie, Steckrüben und vieles mehr.“ (Seiten 8 -
10).
Ich möchte hier ihre Angaben ergänzen: Die Haltungskäfige sind 240 cm hoch, 70 cm breit und
180 cm tief.45
Vor den Käfigen befindet sich als Abfluss eine Edelstahlrinne. Vor der Käfigfront
verläuft der 120 cm breite Versorgungsgang, wandständig ist zudem eine 30 cm tiefe
Sitzbank angebracht, die den gemauerten und gefliesten Abluftkanal abdeckt. Die
Beobachter saßen zum Protokollieren auf der Bank. Bei allen beobachteten
Affen war auffällig, dass diese, sobald menschliche Primaten (Tierpfleger,
Wissenschaftler, Besucher) den Gang nutzten, die Menschen beobachteten und ihre
„normale“ Tagesroutine unterbrachen. Sobald aber die Beobachter auf der Bank
saßen, wurden sie nicht mehr beachtet, die beobachteten Individuen kehrten zu ihrer
Tagesroutine zurück.
Fehr-McCutcheon belegte einen dreiphasigen Aktivitätsverlauf der lokomotorischen
Aktivität (Springen, Klettern, Laufen). Wie auch bei anderen untersuchten Species in
unserer Kolonie „folgten“ andere Aktivitäten diesem Verlauf (Sonstige lokomotorische
Aktivität, Futter bezogene Aktivität, auf sich selbst bezogenes Komfortverhalten).
Soziale Aktivitäten traten vornehmlich zu Zeiten lokomotorischer Inaktivität auf. Bei
der Differenzierung zwischen Springen, Kletten und Laufen konnte Fehr McCutcheon
belegen, dass das Springen die dominierende lokomotorische Aktivität war, das
Klettern hingegen wurde in unseren eindeutigen „Kletterkäfigen“ (drei Gitterwände,
Deckengitter) kaum beobachtet. Der kleine Mark zeigte fast ausschließlich das
Springen, wobei er vor allem auf dem geraden Ruhebrett und auf der oberen Leiter
sprang. Relativ weniger häufig sprang erwartungsgemäß Muschi, was sicherlich
altersbedingt war.
Agonistisches Verhalten beobachtete Fehr-McCutcheon bei Spring Kong und Muschi
nicht, dagegen relativ häufig zu Zeiten hoher lokomotorischer Aktivität in der
Familiengruppe. Dieses Verhalten war vor allem gegen die im Nachbarkäfig lebende
Lisztaffenfamilie gerichtet. Sie differenzierte dabei zwischen Drohen, Rütteln,
Kämpfen, Beißen und Berühren. Sowohl bei Cortez als auch bei Layla war das Drohen
die am häufigsten zu beobachtende Aktivität, am zweithäufigsten war das Beißen zu
beobachten. In ihrem Verhaltenskatalog beschreibt sie das Verhalten der Tiere:
„Drohen: Drohen mit Zähne zeigen und Schreien bzw. Kreischen gegenüber einem
anderen Tier; Rütteln: Rütteln am Gitter, wobei das Tier am Gitter hängt oder nur
mit den Vorderläufen am Gitter rüttelt; Kämpfen: indirektes Kämpfen mit
einem Tier aus dem Nachbarkäfig, da das Gitter einen wirklichen Kampf
unmöglich macht; Beißen: Beißen eines Tieres aus dem Nachbarkäfig, wobei es
nur dann zu Verletzungen kommt, wenn z. B. eine Hand durch das Gitter
gestreckt wird; Berühren: Berühren eines Gitters mit den Händen.“ (Seite
16)46
In beiden Gruppen gingen die Paarpartner etwa gleich häufig aufeinander zu, um dann im engen Körperkontakt zu sitzen oder zu liegen. Bei der sozialen Körperpflege waren die jeweiligen Männchen weit häufiger aktiv.
Zum Verhalten des Säuglings führt Fehr-McCutcheon aus: „Was den Säugling
S47
anbelangt, so ist dieser in Bezug auf die unterschiedlichen Verhaltensweisen
noch relativ inaktiv, was daran liegt, daß er noch sehr unselbständig ist. Er
wird die meiste Zeit über von der Mutter getragen. Insofern widersprechen
meine48 (Daten) den
Literaturdaten49
(...), nach denen der Säugling in dieser Altersphase bereits etwas selbständiger sei, die
Mutter vor allem nur zum Saugen aufsuchen und ansonsten am Rücken des Vaters
hängen müßte.“ (Seite 94).
Springtamarine sind zwar in Südamerika weit verbreitet, doch stellen sie hohe
Ansprüche an die Größe ihres Territoriums. Deshalb sind sie auch nur schwer zu
finden50 und zu beobachten.
Freilandbeobachtungen51
belegen ein riesiges Verbreitungsgebiet, wobei Springtamarine stets weitaus seltener
anzutreffen sind als die jeweiligen im gleichen Gebiet vorkommenden Krallenaffen. Als
Beispiel für die Freilandberichte, zitiere ich hier ausführlich eine Arbeit von A. George
Pook ([162]).
Pook beobachtete seine Springtamarine im Nordosten Kolumbiens. „Der Wald dieser
Gegend ist nicht der typische Urwald des Amazonas. Das Wipfeldach ist lückenhaft
und unregelmäßig, und die Höhe der Bäume schwankt zwischen 10 und 30 Metern. So
können Sonnenstrahlen die unteren Bereiche erreichen. Daher gibt es eine
beträchtliche Menge Unterholz, darunter auch ein Gewirr von Bambusdickicht.
Außer in den wenigen regenreichsten Monaten des Jahres wird der Boden
durch zahlreiche natürliche Bäche und die sanfthügelige Geländeform gut
entwässert.
Callimico vergesellschaftet sich in seinem ganzen Verbreitungsgebiet mit verschiedenen Arten von
Krallenaffen.52
In vielerlei Hinsicht hat er dieselben Lebensgewohnheiten wie die Krallenaffen. Eine
Familie verbringt die Nacht im dichten Gestrüpp oder in einem Baumloch
und zieht den größten Teil des Tages von einem früchtetragenden Baum zum
andern.
.... Das Wohngebiet oder Revier einer solchen gemischten
Gruppe53
kann etwa 30-40 Hektar groß sein. Während der Regenzeit bewegt sich die
Gruppe mehr oder weniger im Kreise umher und legt dabei durchschnittlich
zwei Kilometer am Tag zurück, wobei sie manchmal einen großen Teil des
Reviers in kurzer Zeit durchquert. Viele der Hauptnahrungsbäume stehen
am Rande des Reviers, wo sie mit benachbarten Krallenaffengruppen geteilt
werden müssen. Eine Callimico-Familie verbringt etwa die Hälfte des Tages
damit, mit anderen Arten herumzuziehen, und zu essen oder in deren Nähe zu
ruhen.
Der andere Hauptteil der Nahrung von Callimico besteht aus kleinen Insekten und
Wirbeltieren. Einzelne Äffchen springen oft bei der Futtersuche zu Boden, und
man54
hat beobachtet, wie sie Eidechsen, Frösche und sogar kleine Schlangen fangen und
verzehren. Bei dieser Art der Nahrungsaufnahme sind die Tiere einzeln erfolgreicher;
verschiedene Arten betreiben sie selten gemeinsam. Hierbei wird auch einer der
größten Verhaltensunterschiede zwischen Callimico und den Krallenaffen deutlich.
Kallenaffen halten sich in den mittleren und oberen Stockwerken der Bäume auf, wo
die Äste zahlreich sind. Bei ihrer Fortbewegung darin laufen sie meist auf den
Ästen entlang und springen von den wippenden Zweigen an den Astenden
des einen Baumes zum nächsten. Diese Art der Fortbewegung verrät den
Aufenthalt der Tiere (auch ihren Feinden) selbst dann, wenn man sie nicht
sieht, weil sie viel Lärm macht und die Zweige und Äste in wilde Bewegung
versetzt.
Den Callimico dagegen könnte man als Senkrechtkletterer und -springer
bezeichnen. Obwohl die Tiere unbekümmert im Wipfel eines noch so hohen Baumes
umherklettern und -springen, während sie Früchte essen, steigen sie regelmäßig
bis dicht über den Waldboden herab, wenn sie weiterziehen. Die meiste Zeit
verbringen sie in weniger als drei Meter Höhe. Hier besteht der Pflanzenwuchs
fast ausschließlich aus aufrecht stehenden Schößlingen und Baumstämmen
sowie aus einem dichten Gewirr von Gebüsch und Bambus. Die Callimicos
bewegen sich darin fort, indem sie in aufrechter Haltung von einer senkrecht
stehenden Stütze mit Hilfe ihrer kraftvollen Hinterbeine zum nächsten Stamm
hinüberspringen. Noch in der Luft drehen sie sich und landen mit den Füßen voran.
Die Springfähigkeit von Callimico ist gewaltig.
Ich55
habe beobachtet, wie eines dieser Tiere waagerecht vier Meter weit sprang, ohne an
Höhe zu verlieren; das geschah auch noch nur etwa 30 Zentimeter über der Erde, wo es
eigentlich leichter gewesen sein müßte, auf den Boden zu springen und zu
laufen.
Diese Fortbewegungsweise wird so sehr bevorzugt, daß die Tiere jedesmal einen
Umweg im waagerechten Kreis machen, wenn sie auf ein Hindernis, etwa
einen Bach oder einen unerwarteten Menschen, stoßen, während die meisten
baumbewohnenden Tiere sofort in die Bäume klettern. Es ist jedoch eine ziemlich
lautlose Art, sich fortzubewegen, und sie bringt nur wenig Unruhe in die
Vergetation. Während ich eine Gruppe von Krallenaffen verfolgte, bin ich mehrere
Male unversehens Callimicos begegnet, deren Anwesenheit ich nicht bemerkt
hatte.
.... Der Durchschnittstag der Callimicos teilt sich in Wandern, Essen und Ruhen auf.
Drei Ruhepausen von je 30 - 90 Minuten im Laufe des Tages sind üblich.
Dazu trennen sie sich von anderen Arten. Eine Callimico-Famile von vier
bis 10 Tieren ruht meist nicht mehr als zwei Meter vom Boden im dichten
Gestrüpp oder auf den schräg liegenden Stämmen gestürzter Bäume, die durch
ihren Sturz vielleicht eine lichte Stelle für ein Sonnenbad geschaffen haben.
Gewöhnlich ruhen die Tiere zusammengedrängt in einer katzenähnlichen Hockstellung. Paare oder kleinere Gruppen beschäftigen sich auch mit Fellpflege, die bis zu 15 Minuten dauern kann. Ein Tier fordert ein anderes zur Fellpflege auf, indem es sich unmittelbar vor ihm flach ausstreckt. Jüngere Tiere beteiligen sich manchmal auch daran, machen aber einen unsteten Eindruck und sind während der Ruhezeiten sehr unruhig. Junge Callimicos scheinen jedoch nicht besonders spiellustig zu sein.
Eine weitere Hauptrolle im Sozialverhalten der Callimicos spielen ihre vielfältigen Lautäußerungen. .... Die Callimicos verständigen sich auch häufig durch Duftsignale. Sie besitzen mehr Duftdrüsen als irgendeine Krallenaffenart. .... Im Gegensatz zu den Krallenaffen dürfte Callimico jedoch solche Verständigungsmittel kaum bei der Behauptung seines Eigenbezirks benötigen. Callimico-Gruppen scheinen nämlich weit getrennt voneinander zu leben. Wir schätzen, daß in dem von uns untersuchten Gebiet, in dem ja Callimicos verhältnismäßig häufig vorkommen, auf ungefähr 4 km eine Gruppe entfällt“(([162]), Seiten 179 - 181).
Ziehen wir das Resumee der in diesem Kapitel aufgeführten Fakten aus kontrollierter Laborhaltung und Freilandbeobachtungen, kann es eigentlich keinen Zweifel geben, dass es geboten sein muss, Callimico von den Callitrichidae abzugrenzen. Dementsprechend habe ich auch bei der Besprechung der postnatalen Entwicklung und der frühen Mutter-Kind-Bindung ([243]) und der Sozialstruktur ([247]) der Primates es als zwingend angesehen, Callimico einer eigenen Familie, Callimiconidae, zuzuordnen.
Der Anatom Hill ([86] vertrat zwar anfänglich auch diese Meinung, änderte diese aber
wieder ab und führte im Vorwort des Bandes - sozusagen als Korrektur - auf Seite VIII
aus: „I now believe that Callimico is a tamarin, doubtless a primitive one, and that
systematically it should form no more than a subfamily, Callimiconinae, of the
Hapalidae. .... My present belief is that the most primitive extant platyrrhine is not a
marmoset, tamarin or even Callimico, but the generalized Callicebus, ...“. Die Napiers
([144]) folgten dieser Auffassung.
„Entschieden“ wurde die Einordnung durch Philip Hershkovitz ([78]),
er ordnete 1977 in seinem monumentalen Werk „Living New World
Monkeys (Platyrrhini)“ Callimico einer eigenen Familie Callimiconidae
zu.56
Dieser Ansicht - eine eigenständige Familie Callimiconidae - schließen sich auch Heltne
et al. ([73]) in ihrem 1981 erschienenen Review über Callimico an. Auch Rylands et al.
([178]) haben keinen Zweifel an der Abgrenzung zwischen den Krallenaffen und dem
Springtamarin.
Erste Zweifel äußern Rylands et al. 2012 ([178]), sie zitieren L. Cortéz-Otis (2009)
und führen aus: „Genetically, Callimico is closely related to Callithrix, more so than
Callithrix is related to the tamarins (Saguinus)“. ([178], Seite 13). (Vgl. aber auch
[197]. Untersuchungen zur Mitochondrien DNA ([151]), zur Mikroglobulin DNA
Sequenz ([200], [17]) und vergleichende Genomanalysen ([146]) stützen diese Ansicht,
eine Familie Callimiconidae innerhalb der platyrrhinen Primaten kann nicht mehr
aufrecht erhalten werden (vgl. auch [168]).
Die meisten Menschen haben sich von dem Aberglauben der Schöpfungsgeschichte
verabschiedet und „glauben“ nicht mehr - wie noch Goethe - unsere Erde
wäre 6000 Jahre alt. „Diese Altersangabe geht auf einen irischen Bischof
Ussher57 zurück,
der 1664 behauptet hat, die Erde sei am 23. Oktober 4004 v. Chr. um 9 Uhr morgens geschaffen
worden58.
Vielmehr wissen (oder „glauben“) wir, die Erde sei älter als vier Milliarden Jahre
(zwischen 4,2 und 4,6 Milliarden Jahre alt ([177]).
Vergleichsweise jung, aber tatsächlich auch ungeheuer alt, ist die Fossilgeschichte der
Primates. Wir müssen davon ausgehen, dass vor mehr als 14 Millionen Jahren ([67])
sich der Vorfahre der Callitrichidae (neben anderen ähnlichen Formen) entwickelt hat.
Wir können vermuten, dass dieser Vorfahr von halbäffischen Ahnen kommend das
ursprüngliche Verhalten „parking“ beibehielt, verbunden mit Mehrlingsgeburten.
Wahrscheinlich besaß dieser Ahne bereits die evoluiertere Form des Parkens, das
Parken auf anderen Gruppenmitgliedern. Sicherlich dürfte er auch den dritten Molaren
seiner Ahnen beibehalten haben. Von diesem Vertreter der Callitrichidae haben sich -
neben vielen ausgestorbenen Formen - zwei sich als evolutionär stabil erwiesen, die
Saguininae mit Saguinus und die Callitrichinae mit Callithrix. Die Callitrichinae haben
sich dann wiederum aufgespalten in die Callitrichini und die Callimiconini, wobei
letztere eine modernere Form sind. Die Reduktion der Jungenzahl und die engere
Mutter-Kind-Bindung sind ohne jeden Zweifel evoluierter als das primitivere
Verhalten der basalen Callitrichidae, das bei Saguinus und Callithrix beibehalten
wurde.59
Der Verlust der dritten Molaren setzt, dies wissen wir von unser eigenen Species, keine
komplizierten Überlegungen voraus, sowohl bei Saguinus als auch bei Callithrix
haben nur Formen überlebt, die diesen Weg der Reduktion gegangen sind.
Zu Abbildung 8.47 merkt Vincent Sodaro an: „This photo shows an adult callimico resting on a branch with his bare ventrum fully in contact with the substrate. After seeing callimico in the forest doing this I have come to believe that the bare chest and abdomen of callimico is an adaptation to help them thermo-regulate and stay cool in the forest. Callimico are usually found within 5 meters of the forest floor where there is almost no air movement and it is extremely warm and humid. The Saguinus species live higher up in the trees where the cool breezes are able to reach them. I often observed that when I looked up into the canopy I could see the branches moving from the wind but down on the forest floor the heat was stifling!“ ([207]).
1Die Arbeit von Thomas habe ich selber nicht gelesen, ich verlasse mich hier auf Hershkovitz ([78]).
2Ich habe bereits in den Kapiteln 5 und 6 betont, dass den Callitrichidae dieser Backenzahn fehlt und dass dieses Merkmal hohen diagnostischen Wert hat.
3„Those who attach greater importances to the number of the teeth than to the structure of the feet will classify Callimico with the Cebidae. In my opinion it is a primitive Marmoset; and its distinction from the rest of the family may be expressed by dividing the Hapalidae into two subfamilies - the Hapalinae ...., and the Callimiconinae ...“. (([161]), S. 38)
4Dank des Entgegenkommens meines Freundes Russel A. Mittermeier konnte ich eines der 25 englisch-sprachigen Exemplare erwerben und so auch verstehen, wie Rainer Lorenz ([120] zu seiner Fehlangabe, ein Callimico müsste 1945 in Pará gehalten worden sein, kam.
5Ich habe diese Angaben nicht überprüft.
6Man stelle sich vor, ein „normaler“ Wissenschaftler hätte sich diese Aufgabe vorgenommen, er hätte die jungen Springtamarine regelmäßig einfangen lassen und untersuchen müssen, was wahrscheinlich junge Springtamarine kaum überstanden hätten. Heike Heinemann übernahm diese Untersuchung spielerisch nebenbei.
7In dieser Arbeit vergaben die Autoren für mich nicht nachvollziehbare Nummern für ihre Tiere, vielleicht sollte hierdurch der Artikel „wissenschaftlicher“ wirken. Zur besseren Lesbarkeit habe ich bei den wörtlichen Zitaten auf diese Nummern verzichtet und stattdessen die Namen der beteiligten Individuen in Klammern angegeben.
8Auf das Tischchenmachen gehe im im Bericht über die Kapuzineraffen noch ein.
9Etwas abweichend von meiner Rekonstruktion beschreibt Lorenz ([124]) sein Vorgehen: „We had one breeding male who became so protective after carrying the baby that he would attack mother, caretaker, and scientist. After losing the first baby to starvation, he was separated for the following three births 24 hours after the baby was seeen exclusively on his back. The male was kept in a small cage .... within the breeding cage and released as soon as the infant began traveling independently and eating solid food ([124], Seite 98).
10Jacky hat keine Zuchtbuchnummer, da ich unsere Tiere erst nach Jackys Tod (07. Mai 1980) dem Zuchtbuchführer gemeldet habe.
11Ich kaufte das Affenfutter in einem Großmarkt ein, als Großeinkäufer bekam ich auch viele nicht mehr verkaufbare Früchte geschenkt. Diese sollten die Tierpflegerinnen unseren Kapuzineraffen zusätzlich anbieten. Meine Tierpflegerinnen empfanden es wohl als „ungerecht“ den anderen Affen gegenüber und „verzierten“ daher auch das Krallenaffenfutter mit einer oder mehreren seltenen Früchten. Wir merkten dies häufig bei unserem Abendrundgang, das Futter blieb nämlich unberührt. Wir sammelten dann die vermeintlich „vergiftete“ Beilage ein und ermöglichten damit die Aufnahme der Nahrung. Leider habe ich diese Beobachtungen nicht protokolliert und kann daher nicht berichten, ob alle oder nur einige der Sozialgruppen betroffen waren, bzw. ob wir dies bei Vertretern aller drei gehaltenen Genera (Callithrix, Saguinus, Callimico) beobachten konnten.
12Diese Geburtstermine weichen von denen des GOELDI’S MONKEY Studbook ab, Mark Warneke wusste nichts von der Existenz von Jacky und hatte auch keine Daten zur Vorgeschichte. Er ging von verlustfreien Aufzuchten aus und schätzte den Geburtenabstand mit sechs Monaten. Nach seinen Spekulationen wurde Tommy im März 1977, Peter im September 1977, Muschi im Februar 1978 und Nes im August 1978 geboren. Als Geburtstermin von Fanny schätzte er - ohne irgendeine Information über die Lorenzschen Tiere zu haben - August 1975.
13Sollte die Vorgeschichte stimmen und hätte ich diese gewusst, hätte ich es als besondere Ehre empfunden, das Vermächtnis der Heinemanns bewahren zu dürfen.
14Dieser Versuch war - auch ohne die vermutete Vorgeschichte - zwangsläufig der Versuch, eine Inzuchtkolonie aufzubauen. In dieser Zeit (und bis zum heutigen Tage) lehnen zahlreiche Kollegen Inzucht generell ab. Mich schreckte dies aber nicht, ist doch die Inzucht eine Voraussetzung für Evolution und insofern nicht verwerflich. Ich konnte und kann mir nicht vorstellen, dass Inzucht in unseren zeitlich relativ kurzen Tierhaltungen negativen Einfluss hat. Freilich werden durch Inzucht auch mögliche positive oder negative Eigenschaften eines Individuums verstärkt. Führten die negativen Eigenschaften zum Tod eines Individuums, könnte man auch diese für eine „reinigende“ Zuchtmaßnahme ansehen. Für mich als Forscher stellte dieses Vorgehen auf keinen Fall eine „Bedrohung“ dar. Diese „Inzuchtverwerfung“ dürfte auch der Grund sein, warum Rainer Lorenz mir nicht weitere Informationen zu seinen Versuchstieren gegeben hat, bzw. warum er seine Tiere nicht dem Internationalen Zuchtbuch meldete. Er schreckte einfach davor zurück, sich unberechtigter Kritik aussetzen zu müssen. Unberechtigt ist eine solche Kritik, da nach meiner Kenntnis die befürchtete Entstehung einer „neuen“ Art etwa 1 Million Jahre benötigt. Wer mag aber mit Sicherheit sagen, dass es noch eine Million Jahre lang unsere eigene Art, Homo sapiens sapiens recens, geben wird und dass über eine so lange Zeit Arterhaltungszuchten betrieben werden.
15Abort-Informationen sind selten, sie stehen in keinem Zuchtbuch, auch sind Aborte leicht zu übersehen. Meine tüchtigen Tierpflegerinnen und Tierpfleger hatten aber die Weisung, bei Blut im Haltungskäfig mit der Reinigung zu warten, bis ich die Gruppe in Augenschein genommen hatte und die Reinigung freigab. Ich schärfte meinen Mitarbeitern ein, dass ein Abort genauso wichtig sei wie eine Geburt, und war mit dieser Weisung erfolgreich.
16Ich weiß leider nicht mehr, ob ich bereits vor der Geburt von Chris die Weisung gegeben hatte, dass die Räume mit neugeborenen Krallenaffen oder Springtamarinen eine Woche lang nicht gereinigt werden dürfen, oder erst zeitlich später. Zumindest galt diese Weisung bereits in unserer ursprünglichen provisorischen Primatenhaltung und wurde sicherlich nach dem Bezug des Neubaus der Primatenstation (am 01.04.1985) hundertprozentig befolgt. Diese Weisung war sicherlich entscheidend für unsere Aufzuchterfolge. Freilich war diese Anordnung nicht so leicht durchzusetzen wie das Protokollieren der Aborte. Besonders eine meine sehr tüchtigen Tierpflegerinnen, Frau Edith Lorenz, die eigentlich ihre Arbeit zu meiner vollsten Zufriedenheit ausführte, hielt diese Anordnung für ignorierenswert. (Wahrscheinlich hatte sie sich über diese Weisung bei dem Leiter der Arbeitsgruppe, Prof. Dr. Werner Meinel, beschwert. Wie ich ihn kenne, dürfte er gesagt haben, der Welker habe ihr nichts zu sagen, die Anordnung sei Quatsch.) Jedenfalls bat ich Lorenz bei meinem Morgenrundgang, nach dem Detektieren einer Zwillingsgeburt bei Callithrix oder Saguinus, auf keinen Fall sauber zu machen, und ging dann in mein Arbeitszimmer. Kaum hatte ich mich gesetzt, klingelte das Telefon, ich möge sofort kommen, es wäre etwas passiert. In dem Callitrichidenkäfig lagen dann die Jungtiere auf dem sorgfältig gereinigten Fliesenboden. Von diesem Moment an wurde meine Weisung zuverlässig befolgt.
17Zum Trageverhalten der drei die ersten vier Wochen überlebenden Jungtiere führt Petra Schroer in ihrer bereits zitierten Staatsexamensarbeit aus.: „Die erste protokollierte Aufzucht des Elternpaares Peter und Muschi, das Jungtier Chris (...), ergab folgende Ergebnisse: Während der ersten zwei Wochen trug auschließlich die Mutter das Jungtier, deren Trageleistung in den folgenden Wochen kontinuierlich abnahm. Von der dritten Woche an, hier war das Jungtier auch zum ersten Mal allein im Käfig vorzufinden, beteiligte sich auch der Vater am Tragen und übernahm zunehmend den Transport des Jungtieres. In der siebten Woche entsprach seine Trageleistung der der Mutter (...); in der neunten Woche lag seine Höchsttrageleistung (...). Auch die Kurve des Vaters sank nun kontinuierlich bis zur vierzehnten Woche ab, wo das Kind selbständig wurde. (...) Auch bei der zweiten protokollierten Aufzucht von Peter und Muschi - etwa ein Jahr später (...) - wird deutlich, daß auch hier die Mutter alleiniges Tragtier war. Die Trageleistung des Vaters begann in der fünften Woche .... Leider mußten aufgrund des Todes des Neonaten die Protokolle schon frühzeitig beendet werden, jedoch ist die Zunahne der Trageleistung des Vaters bzw. die Abnahme der Trageleistung der Mutter ab der fünften Woche eindeutig zu erkennen. Die dritte protokollierte Aufzucht des Jungtieres Suse (...) ist insofern nicht vergleichbar mit den vorangegangenen Aufzuchten, da hier lediglich die Mutter bei der Aufzucht im Käfig anwesend war. Der Vater hatte bei vorherigen - nicht erfolgreichen Aufzuchten - die Jungtiere immer zu früh getragen, so daß die Neonaten starben. Aus diesem Grund gingen wir das Risiko bewußt ein, das Jungtier von der Familiengruppe abzusperren. das Jungtier wurde so bis zur neunten Woche ständig von der Mutter getragen. Ab der zehnten Woche war es das erste Mal allein im Käfig vorzufinden und wurde dann im Laufe der nächsten Wochen zunehmend selbständig. Das Protokollende ist in der siebzehnten Woche, als eine erfolgreiche Fusion mit dem Vater und dem Bruder stattfand. Aufgrund weiterer Beobachtungen konnten wir jedoch feststellen, daß das Kind in der zweiundzwanzigsten Woche selbständig wurde.“ (Schroer, Seiten 61 - 62).
18Von diesem theoretischen Ahnenverlust sind wir Deutschen selbstverständlich auch betroffen, rechnete man sich die Anzahl der Ahnen der heute etwa 80 Millionen Deutschen einmal aus. In meinen Vorlesungen habe ich zum Thema Ahnenverlust stets mit wichtiger Stimme ausgeführt, dass ich ein direkter Nachkomme Karls des Großen sei. Nachdem sich das Staunen über den „Kaiserspross“ oder den aufschneidenden Angeber gelegt hatte, fuhr ich fort, „Sie aber auch“. Tatsächlich sind wir alle Nachkommen jedes einzelnen im Jahre 800 lebenden Franken, soweit dieser überhaupt Nachkommen hinterlassen hat.
19Man kann sicherlich nicht ohne Berechtigung kritisieren, dass Muschi nicht eingeschläfert wurde. Dies konnte ich aber nicht verantworten, Muschi war zwar behindert, aber offensichtlich lebensfroh. Bei unseren Morgenrundgängen brachten wir ihr „Brüllaffenbrei“ mit, den sie „glücklich aus meinen Fingern aufnahm. Nämliches galt für die zum Abendrundgang angebotenen Futterpellets. Sie erweckte den Eindruck, sie sei zufrieden. Da wir uns in unserer nichtöffentlichen Primatenstation Muschis Haltung nicht gegenüber ignoranten „Gutmenschen“ verteidigen mussten, konnten wir uns diese für Muschi geeignete Haltungsform „leisten“.
20Die Bezeichnung des Amtes änderte sich im Laufe der Jahre. Als Layla starb war es „Staatliches Medizinal-, Lebensmittel- und Veterinäruntersuchungsamt Nordhessen“
21Leider haben wir die bereits entnommenen Organe nicht gewogen, wir hätten über die Jahre ohne großen Aufwand umfangreiche Daten für die Grundlagenforschung sammeln können.
22Ich persönlich bin überzeugt, dass Fiege - ob gewollt oder ungewollt - durch seinen Behandlungsvorschlag vor allem die Schaben behandelte, die durch das „Schabenfutter“ Fenbendazol möglicherweise „geheilt“ wurden.
23Abstract: „In a monkey colony cases of squamous or crustaceous skin lesions were observed on lips of goeldi‘s monkeys and common marmosets. Roundworms of the genus Gongylonema were found by autopsies in lips, tongues and oral cavities. By fecal examinations (M.I.F.-technique) spirurid eggs were detected in feces of goeldi’s monkeys, common marmosets, crab-eating macaques (Macaca fascicularis), owl monkeys (Aotus azarae boliviensis), red titis (Callicebus cupreus) and common squirrel monkeys (Saimiri sciureus). Following autopsies resulted in the findings of Gongylonema sp. in crab-eating macaques and common squirrel monkeys, however, without any clinical symptoms. Monkeys which exhibited clinical symptoms were treated with Ivermectin (0,2mg/kg bodyweight subcutaneously). After a transient activation of the inflammation after treatment clinical symptoms disappeared after some weeks or months. However, the treatment was without lasting success. Clinical symptoms reappeared some time later. In addition, several Gongylonema sp. were found in two goeldi’s monkeys which died about one week after treatment. Furthermore, three of six fecal examinations were positive for spiruid eggs two weeks after treatment.([56]“
24Eigentlich ist die Parasitenbelastung bei freilebenden Primaten zwar hoch, aber auch ungefährlich. Der Parasit (die Parasiten) und sein (ihr) Wirt leben aufeinander abgestimmt, friedlich miteinander. Dies war bei Gongylonema offensichtlich nicht der Fall, Callimico war demnach ein „Fehlwirt“ für Gongylonema, so wie wir Menschen ein „Fehlzwischenwirt“ z. B. für den Hunde- bzw. den Fuchsbandwurm sind. Zwar erreicht dieser sein Ziel, den Tod des betroffenen Menschen, doch werden die toten Menschen in der Regel nicht als Nahrung für die Wirte, Hund oder Fuchs, dienen. Insofern muss Gongylonema von zumindest einem Individuum einer anderen Art eingeschleppt worden sein. Das verwurmte Tier hat dann unsere Schabenpopulation infiziert (Schaben sind Zwischenwirte), die Schaben wurden dann wieder von anderen Affen verzehrt, die sich so infizierten. Die Springtamarine waren sozusagen „die Engel“ für unsere Station. Sie haben uns auf diesen Parasiten aufmerksam gemacht. Auch wir Menschen trugen in der Regel Parasiten mit uns herum. Die Berliner Bürger z. B. wurden regelmäßig über frische Salate aus den Rieselfeldern um Berlin mit Spulwürmern infiziert, deren Larven sie dann über ihren Stuhl via Rieselfeld an ihre Mitbürger weitergaben. Die chemische Düngung führte dann zum Aussterben der Spulwürmer in der Berliner Bevölkerung. Durch den psychisch bedingten „Biowahn“ mögen diese natürlichen Mitbürger des Menschen bald wieder auch in Deutschland eine Chance haben. Die Coevolution von Mensch und Spulwurm könnte hier weitergehen, die biologisch korrekte Ernährung, verbunden mit der biologisch korrekten Düngung mit menschlichen Fäkalien, bringt möglicherweise den Spulwurm wieder zurück, mit allen natürlichen Leiden und Beschwerden, unter dessen Fehlen einige unsere Mitmenschen offensichtlich leiden. Ähnlich erschreckend ist es den menschlichen Bandwürmern ergangen, sie sterben durch die heutige „unnatürlichen“ sterilen Stallsystemen mehr oder weniger aus.
25Othello wurde angeblich am 15. Juli 1993 „beschlagnahmt“ und dann in der Wilhelma Stuttgart gehalten. Man wollte dieses wertvolle Tier in das Zuchtprogramm integrieren. (Mich hat man nicht befragt.) Nach dem Zuchtbuch starb er hochbetagt am 22. Januar 2007.
26Wir hatten den verwitweten Mark - Lana starb am 26.08.1991 - gemeinsam mit seinen Kindern Lukas (mCg1090) und Katarina (fCg1172) am 08. Mai 1992 mit Gertrudis verpaart, was gelang. Aus dieser Gruppe entnahmen wir am 20. Januar 1993 Mark und am 14.06.1993 Katarina. Der Paarpartner von Gertrudis war also ihr Stiefsohn.
27Leider hatte ich diese sorgfältig und vorbildlich angefertigten Dokumente - „Individual Animal Record“ und „Animal Data Transfer Form“ - nicht sorgfältig gelesen, hätte ich doch bei Kenntnis das Implantat entfernen lassen.
28Meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hatten die Anweisung, bei neugeborenen Jungtieren diese nicht anzustarren, sie sollten weggucken und ruhig weitergehen; diese Anordnung kannten unsere Besucher nicht, bzw. hätten sie als „Gutmenschen“ - sie wollten doch nur das „Beste“ für die Tiere - ignoriert.
29Über diese unangenehme Zeit in der Primatenstation möchte ich hier nicht berichten, da diese nicht Thema des Buches ist.
30Auch darüber möchte ich hier nicht berichten.
31Dazu war die Hochschulleitung auch berechtigt, das Verschleudern von Staatseigentum ist nicht mit Strafen belegt.
32Die folgenden Angaben habe ich dem von Mark Warneke geführten Zuchtbuch entnommen. In den Tabellen habe ich unter „Tod“ Fragezeichen angegeben, da ich die Angaben nicht selbst erhoben habe. Im Zoo Dresden benötigte Rob 9 Monate, Clarissa 12 Monate, Vanessa 3 Monate und Rana fast zwei Jahre zum Ausleben. Nur Mikesch konnte die großzügige Haltung in Dresden genießen, er lebte noch fast dreizehn Jahre unter diesen optimierten Bedingungen und wurde 18 Jahre alt. Dabei hatten es die Springtamarine hier richtig gut. In Aschersleben ging das Ausleben schneller, Gertrudis und Lukas benötigten fast einen Monat, Tanja drei Monate und Pia fast zwei Monate. Frederik, Gustav und Babette kamen am 15. Juli 1996 ebenfalls nach Aschersleben. Frederik wurde am 21.08.1998 an die „Breeding Station Karsupke“ abgegeben, Gustav und Babette am 25. Juli 1996 an den Tierpark Petersberg. Thomas kam am 30. Mai 1996 in den Tierpark Chemnitz und starb dort am 11.02.2003. Steffie und Fabian gab die Universität Kassel am 19.04.1997 an einen mir nicht bekannten Walter Wolters in Hamburg ab, von dort wurden sie am 01.01.1998 weitergegeben. Insofern waren mehrere Ziele erreicht, die Universität Kassel war die unerwünschten Tiere los, die Zuchtkolonie zerstört und der „Bund gegen den Mißbrauch der Tiere“ hatte sein Ziel erreicht, die von mir in Kassel missbrauchten und unter unwürdigen Bedingungen gehaltenen Tiere waren „befreit“.
33Meinem Freund Mark Warneke danke ich für seine spontane Bereitschaft, mir diese Daten zur Verfügung zu stellen. Ich glaube, ihm hier auch im Namen aller Callimico - Halter danken zu dürfen. Seine jahrzehntelange sorgfältige Arbeit hat nicht nur diesen Beitrag möglich gemacht, sie wird auch für weitere Analysen unverzichtbar sein.
34Uta Rümplers „Verdienst“ beruht vor allem auf der täglichen Begleitung der ihr anvertrauten Primaten, wobei sie immer ihre Tiere als Individuen begriff, Individuen, die unabhängig von der Artzugehörigkeit individuelle Bedürfnisse und Sorgen hatten, die sie gekonnt erkannt und beantwortet hat. Diese Leistung setzt freilich das individuelle Kennen der verschiedenen Gruppenmitglieder voraus. Hier hat sie Vorbildliches geleistet, was während ihres jahrzehntelangen Wirkens auch die Anerkennung aller erfahrenen Primatenhalter gefunden hat.
35Die „Namen“ stammen, wie die Namen der Kasseler Kolonie, von mir, sie geben - wie bereits ausgeführt - Auskunft über das Geschlecht (m oder f), die Art (Callimico goeldii) und die von Mark Warneke vergebenen Zuchtbuchnummern, wobei diese nicht zwingend Hinweise auf das Alter des Individuums geben, die Nummern werden vielmehr nach dem Zeitpunkt des Eintragens in das Zuchtbuch vergeben.
36Die Verpaarungsdaten der Kölner Springtamarinkolonie sind von mir „errechnet“worden, ich habe hier jeweils den Tag sechs Monate vor der ersten Geburt gewählt, dies erscheint mir eine hinreichende Approximation an die „Wahrheit“ zu sein.
37Mit Ausnahme des jüngsten Sohnes von Richard und Ingrid (mCg1142) überlebten alle in Köln geborenen Jungtiere das „Ende“ ihrer jeweiligen Gruppe. Die Gruppe 3 (SaschaI/Shiwa) endete durch den Tod der Mutter (gest. 13.05.91), die vierte Gruppe (Richard/Ingrid) durch den Tod des Vaters (gest. 18.01.90).
38Auch diese Verpaarung verlief erfolgreich, vier Jungtiere wurden geboren und aufgezogen; die Gruppe endete mit dem Tod von Ria am 12.07.94.
39Wahrscheinlich wurde Blacky aus der Gruppe verdrängt. Diese reine Vermutung stützt sich auf das Handeln erfahrener Primatenhalter, entnehme niemals ohne zwingenden Grund ein Tier aus einer funktionierenden Sozialgruppe, das Entfernen könnte das Ende der Sozialgruppe bedeuten. In diesem Moment fällt mir eine von mir nicht recherchierte Anekdote von Bernhard Grzimek ein. Grzimek besuchte den Artis-Zoo in Amsterdam und bewunderte eine große Sozialgruppe des Lisztaffen. Grzimek hatte in Frankfurt einen einzelnen Lisztaffen sitzen und bat für diesen um einen Paarpartner. Die Amsterdamer Kollegen wollten eigentlich diesem Wunsch nicht folgen, widerstanden aber dann nicht dem Drängen von Grzimek und Grzimek fuhr mit dem erbetenen Individuum nach Hause. Ab sofort züchteten die Amsterdamer Lisztaffen nicht mehr. Was war wohl passiert? Die Amsterdamer Tierpfleger dürften das äußerlich unattraktivste Individuum herausgefangen haben. Sie hatten damit entweder den Vater oder die Mutter abgegeben und so unbeabsichtigt die Sozialgruppe zerstört.
40Wie ich noch bei der Besprechung der Kapuzineraffen berichten werde, ist die Vaterschaft durch Verhaltensbeobachtungen kein Vaterschaftsnachweis. Als Anekdote sei hier eine Beobachtung meines Freundes Irwin S. Bernstein wiedergegeben. Er hielt eine (von mir geschätzt) 12 köpfige Gruppe Rhesusaffen (Macaca mulatta), 6 Männchen und 6 Weibchen. Bei dieser Art haben die ranghöheren Männchen Vorrechte bei dem Zugang zu weiblichen Gruppenmitgliedern. Irwin berichtete, erwartungsgemäß kopulierten nur die drei ranghöchsten Männchen der Gruppe. Diese waren aber sterilisiert und konnten keine Kinder zeugen, dennoch wurden alle Weibchen schwanger.
41Die Motivation kennen wir nicht. Da aber 2000 auch die damals 17 jährige Ingrid, die Frau von Richard, abgegeben wurde, liegt die Vermutung nahe, man wollte einfach das „Erbe“ von Frau Rümpler „loswerden“.
42Ich will nicht annehmen, dass dies die Vorstellung der Verantwortlichen war, ausschließen kann man dies freilich nicht.
43Handaufgezogene Individuen wurden nur als tote Individuen gezählt.
44Fehr-McCutcheon, B. „Zur Aktivitätsrhythmik des Springtamarins Callimico goeldii. Wissenschaftliche Hausarbeit zur ersten Staatsprüfung für das Lehramt für die Mittelstufe und die Oberstufe an der Gesamthochschule Kassel. Wabern/Udenborn, 22. April 1988.“
45Die Zwischenwände sind theoretisch leicht zu demontieren, so dass durch teilweises oder vollständiges Entfernen der zwei 80 cm breiten Elemente einerseits leicht mehrere Käfige miteinander verbindbar sind, andererseits hatten wir die Wahl entweder jeweils 80 cm breiten Gitterelemente oder geschlossene Elemente, die den Sichtkontakt zum Nachbarkäfig verhindern, einzubauen.
46Hier interpretiert Fehr-McCutcheon das beobachtete Verhalten offensichtlich falsch, woran man meine Toleranz gegenüber meinen Studenten erkennen mag. Sie hätte richtig überall das Wort „spielerisch“ davorschreiben müssen. Die Affen in den Nachbarkäfigen waren bewusste „enrichment“ Maßnahmen. Stimmten ihre Interpretationen, hätte es in meiner Haltung keine Affen mit Fingern gegeben. In den Nachbarkäfigen waren freilich keine „Artgenossen“, in diesem Fall hätte auch ein doppeltes Gitter ein „Blutbad“ nicht verhindert.
47Das Geschlecht von Mark war noch nicht bestimmt.
48Fehr-McCutcheon
49Fehr-McCutcheon bezieht sich hier auf die oben berichteten Beobachtungen von Lorenz und Heinemann. Diese fanden aber in der Familie der Heinemanns statt, Frau Heinemann war sicherlich das wichtigste Familienmitglied. Ihre Beobachtungen werden aber von unseren quantitativen Daten (s. o.) gestützt. Ich vermute, dass unsere Haltungsbedingungen „natürlicher“ waren als die überaus behüteten im menschlichen Familienverband.
50Ich selbst bin ein Laborforscher und kein Freilandbeobachter, dennoch natürlich auch sehr an ihrem Vorkommen und ihrem Verhalten im Freiland interessiert, wenngleich diese Beobachtungen mit denen unter optimalen Bedingungen in Menschenobhut oder gar unter Laborbedingungen - wie in unserer Primatenstation - nicht vergleichbar sind, ist doch das genaue Beobachten durch die natürliche Vegetation und den hohen Abstand von dem Beobachter nur sehr begrenzt möglich. Auch wenn man sozusagen direkt neben den Studienobjekten steht, leben diese in 20 Meter Höhe „unerreichbar“ für den Beobachter. Dies gilt für alle Primaten Südamerikas und die Mehrheit der Affen der Alten Welt. Dennoch habe ich im Freiland - wenn möglich - freilebende Primaten beobachtet. Zusammen mit meiner Frau und unter der Anleitung meines Freundes Joe (Joseph Erwin) haben wir mit einer kleinen Gruppe von Wissenschaftlern auf Sulawesi nach „Affen“, vor allem nach Macaca maura und verwandten Species gesucht, von dieser Reise zeugt ein launiger Reisebericht ([147]), den John D. Newman 1994 angefertigt hat. Unser Vorgehen, wie die „Waldgänger“ nach ihnen zu suchen, wo sie einmal beobachtbar waren, ist freilich falsch. Nach meinen Beobachtungen an Alouatta fusca in Brasilien und Macaca maura in Sulawesi muss man nur dort, wo sie angeblich gesehen wurden, warten. Irgendwann tauchen sie auf. Die Uhrzeit muss man notieren, dann kann man sie täglich leicht wiederfinden. Die von mir beobachteten Species durchstreifen auf ihren täglichen Wanderungen geradezu stereotyp - nach festem Zeiplan - ihr Territorium. Wahrscheinlich gilt Nämliches für alle oder fast alle freilebenden Species. Als Nichtfreilandbeobachter - sozusagen „verdorben“ durch die optimalen Beobachtungsbedingungen in Menschenobhut - habe ich mir nie die Zeit genommen, diese Vermutung quantitativ zu belegen.
51Moynihan ([143]) beobachtete Springtamarine „near the town of Puerta Umbrá, approximately halfway between the cities of Mocoa and Puerto Asís (....), about 300 meters above sea level“ ([143], Seite 25); Izawa und Bejarano fanden Callimico im „western Pando“ in Bolivien ([99]). Von 1971 bis 1978 unternahm Izawa sechs Forschungsreisen in Kolumbien, Peru und Bolivien ([98]). Eigentlich war er stets bemüht, dabei auch nach Callimico zu suchen, was aber erst während der sechsten Studienreise gelang. Er fand zwei geeignete Örtlichkeiten, in Peru „the right bank of the upper Rio Blanco basin, a tributary of the Rio Tapiche„und in Bolivien „on the left bank of the Rio Nareuda, a tributary of the Rio Tahuamanu; Pook and Pook berichten über ihre Freilandstudie im nord-westlichen Bolivien ([163]).
52In Pando, Nordbolivien mit Saguinus fuscicollis weddellii.
53Pook meint hier die Vergesellschaftung von Springtamarinen und verschiedenen Arten der Krallenaffen.
54Ich vermute, Pook bezieht sich hier auf eine Arbeit von Rainer Lorenz ([123]).
55Pook
56Hier gibt er auch ein ausgezeichnetes und ausführliches Review über den damaligen Wissensstand.
57Einige Leser werden lachen und sagen, „der Dummkopf“, was sicherlich nicht berechtigt ist. James Ussher war vielmehr ein angesehener anglikanischer Theologe und anerkannter Wissenschaftler seiner Zeit. Wie auch heute noch zahlreiche Menschen der „Buch“gläubigen Juden, Christen und Muslime „glaubte“ er, dass das Buch der Bücher Wahrheit, das Wort Gottes, sei. Er errechnete bzw. ließ in einer Fleißarbeit errechnen, wann - nach den Angaben des Alten Testamentes - Gott die Welt erschaffen habe. Da die drei großen Glaubensgemeinschaften „glauben“, der Gott des Alten Testamentes sei ihr Gott, sind die Anhänger dem Wort „ihres“ jeweiligen Gottes gefolgt und glauben - sicherlich berechtigt - ihm, was nicht verlacht werden darf, wer glaubt, der glaubt.
58Rothe fügte in Vorlesungen immer hinzu: „Greenwich Mean Time, nota bene“). ([177], Seite 29)
59Am Rande sei noch bemerkt, dass die Calltrichinae wohl die Fähigkeit, mit Gongylonema in Co-existenz zu leben, verloren oder noch nicht entwickelt haben.